Gefangene der Nazis

von Redaktion

Eine sehenswerte BR-Dokumentation beleuchtet ein trauriges Kapitel in der Geschichte der Wittelsbacher

VON DIRK WALTER

Geredet haben sie lange Zeit überhaupt nicht darüber – warum eigentlich? In dem sehenswerten Film „Die Wittelsbacher – Geiseln Adolf Hitlers“, heute um 22 Uhr im Bayerischen Fernsehen, berichten Herzog Franz (88), Familienoberhaupt der Wittelsbacher, und sein jüngerer Bruder Max (85) erstmals ausführlich über ihre Zeit in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Autoren der Doku sind Andrea Mocellin und Thomas Muggenthaler.

Die Geschichte ist wenig bekannt. Die weitläufige Familie des Kronprinzen Rupprecht, im Jahr 1933 Chef des Hauses Wittelsbach, wurde von den Nazis bedroht, drangsaliert und zur Flucht nach Ungarn und Italien getrieben. Selbst im okkupierten Ungarn war man aber nicht sicher, erinnert sich Franz. Er wurde verprügelt und bedrängt, doch endlich der Hitlerjugend beizutreten. Doch er weigerte sich.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden sie verhaftet – in den KZ Sachsenhausen (bei Berlin) und Flossenbürg in der Oberpfalz sowie in Dachau durchlitten sie grauenhafte Monate. Irmingard, eine ältere Schwester von Franz, war von der jahrelangen Drangsalierung schwer gezeichnet. Sie litt an Typhus, malte sich nach 1945 ihre grausamen Erinnerungen von der Seele – die sehr eindrucksvollen Bilder sind im Film zu sehen.

Die Wittelsbacher waren – gerade im Vergleich zu den Hohenzollern, die sich mit den Nazis auf mannigfache Weise einließen – honorige Konservative. Sie waren vor 1933 natürlich keine Demokraten, sondern unterstützten in der Weimarer Republik militaristische Verbände und Republikfeinde – bis hin zur Deckung von Fememördern. Aber einen Fall wie „Auwi“, den vierten Sohn von Ex-Kaiser Wilhelm II., der bei den preußischen Landtagswahlen 1932 als Spitzenkandidat der NSDAP antrat, gibt es bei den Wittelsbachern eben nicht. Allenfalls kann man Rupprecht vorhalten, dass er 1932/33 durch illusionäre Gedankenspiele der regierenden Bayerischen Volkspartei dazu verleitet wurde, mit der Ausrufung der Monarchie zu liebäugeln – um Hitler zu verhindern. Doch er war ein Zauderer. Das kurze Zeitfenster, wenn es denn überhaupt eins gab, schloss sich folgenlos.

Das Filmteam begleitete die Brüder Franz und Max auch in die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, wo die Familie in einer KZ-Bordellbaracke zwei Zimmer erhielt. „Hunde und Gebrüll“, das habe er bis heute im Ohr, erinnert sich Franz. Und Leichenberge, gestapelt vor dem Krematorium. Bei all dem, das arbeitet der Film gut heraus, waren die Wittelsbacher als „Sonderhäftlinge“ noch besser dran als die normalen KZ-Insassen. Niemand wurde ermordet. Aber es war knapp: Herzog Albrecht, der Vater von Max und Franz, erkrankte an blutiger Ruhr – nur durch die Fürsorge seiner Ehefrau überlebte er wohl die Tortur der Verfolgung.

Schließlich landete die Familie als potenzielles „Faustpfand“ der Nazis für Verhandlungen mit den Alliierten (die sich auf nichts einließen) im Hotel Ammerwald bei Reutte in Tirol. Dort endlich wurden sie befreit.

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