Seit über einer Woche diskutiert das Land – oder jedenfalls einige Teile – über #allesdichtmachen. Jene Aktion, in der gut 50 zum Teil sehr prominente Schauspieler die Corona-Politik der Bundesregierung ironisch bis zynisch kommentieren. Während einige Stars wie Meret Becker, Ulrike Folkerts und Richy Müller inzwischen ihre Videos zurückgezogen und sich von den Aussagen distanziert haben, lässt ein anderer keine Gelegenheit aus, sich immer und immer wieder zu erklären: Jan Josef Liefers.
Ob am Freitagabend bei „3 nach 9“ oder am Donnerstag bei „Maybrit Illner“ – der 56-Jährige steht Rede und Antwort. Und ging auch auf die Forderung ein, doch mal eine Schicht auf einer Intensivstation zu machen, um die Dramatik in den Krankenhäusern live zu erleben. Das hatte Carola Holzner („Doc Caro“), Leitende Oberärztin am Universitätsklinikum Essen, vorgeschlagen. Der dortige Chef, Professor Jochen A. Werner, erteilte Liefers jetzt aber eine Abfuhr. „Wer bis heute nicht begriffen hat, was in Krankenhäusern geleistet wird, der begreift es auch in einer Schicht nicht“, so Werner.
Kritik bekam Liefers auch für seine Medienschelte. Journalisten würden zu wenig und zu unkritisch „Alarmstimmung“ verbreiten, hatte er in seinem Video und den darauf folgenden Interviews geklagt. Das brachte einige so auf die Palme, dass sie Liefers‘ Rausschmiss aus dem ARD-„Tatort“ forderten. Das steht nicht zu befürchten: Wie der WDR nun mitteilt, sind die Verträge von Jan Josef Liefers und Axel Prahl verlängert worden. „Wir planen, sechs weitere Folgen zu produzieren“, heißt es. Fortsetzung folgt also.
Und das ist gut so. Der jüngste Fall der beiden, der gestern Abend im Ersten lief, zeigte einmal mehr, dass Liefers und Prahl der Kultreihe eine ganz besondere Note verleihen. „Rhythm and Love“, so der wunderbare Titel des Klamauk-Krimis, war in dieser Hinsicht besonders gelungen: mit Dialogen auf den Punkt, dem typischen Münster-Humor und viel Liebe fürs Detail. Zum Schreien komisch die Szene, als Kommissar Thiel (Prahl) und Professor Boerne (Liefers) sich auf dem Obduktionstisch (!) die Kante geben und dabei lachen, lallen und übers Leben sinnieren. Da blieb auch kein Zuschauerauge trocken.
Zuvor ging es natürlich auch ernst zur Sache. Maik Koslowski – Gemüsebauer, Aktmodell und Verfechter der freien Liebe – wird splitterfasernackt in der Nähe des „Erlenhofs“ gefunden, einer Kommune, die sich Rainer Langhans und Uschi Obermaier nicht schöner hätten erträumen können. Hier wird geliebt, gekifft, gelehrt („Trommeln und Ekstase“) und eben auch getötet. Dass Thiel und Boerne mit dieser Szene fremdeln, versteht sich von selbst und sorgt für irrwitzige Momente. Als ausgerechnet der Pressesprecher der Münsteraner Polizei, Johannes Hagen (August Wittgenstein), der mit Ehefrau und zwei Kindern in einem schmucken Einfamilienhäuschen lebt, des Mordes an Mike verdächtigt wird, nimmt die Geschichte ihren durchaus spannenden Lauf.
Dass der Film von Elke Schuch (Buch) und Brigitte Maria Bertele (Regie) am Ende etwas aus dem Ruder läuft und zu viel vermischt (Polyamorie, Schwulsein bei der Polizei, Selbstzweifel und Plagiatsvorwürfe), würde man anderen „Tatort“-Teams anlasten. Auch die Klischees! In Münster geht das aber irgendwie in Ordnung.
Die Frage, die noch offen ist: Was sagt eigentlich Axel Prahl zu den Geschehnissen der vergangenen Woche und den Aussagen seines nicht nur Kollegen, sondern auch guten Freundes Jan Josef Liefers? Öffentlich möchte sich der 61-Jährige nicht zu den Videos und der Aktion äußern. „Ich halte mich da raus“, sagt er und fügt hinzu: „Dass ich bei der Aktion nicht dabei war, ist Stellungnahme genug.“