Die zwei Seiten des Horst Lichter

von Redaktion

Die rheinische Frohnatur suchte die Stille – und schrieb ein Buch über seine Erkenntnisse

VON TERESA WINTER

Raus aus dem Hamsterrad – das wollte auch Horst Lichter. Über 200 Sendungen „Bares für Rares“ dreht der 59-Jährige im Jahr. Ein Kraftakt, von dem sich der Moderator auch mal erholen muss. Um Energie zu tanken, hat sich der Rheinländer etwas Besonderes ausgedacht – eine Auszeit im bayerischen Schweigekloster.

„Ich war auf der Suche nach Entschleunigung, nach einem Moment der Stille, nach Ruhe“, erzählt Lichter unserer Zeitung am Telefon. Ein Vorhaben, das sich gar nicht so einfach umsetzen ließ. Und ein mehrtägiges Experiment ohne Handy, ohne Termine, ohne Quasseln, das anders endete als geplant, wie der frühere Fernsehkoch in seinem Buch „Ich bin dann mal still – Meine Suche nach der Ruhe in mir“ verrät. Schon bei der Ankunft verblassten Lichters Vorstellungen von romantischen Klostermauern und betenden Mönchen.

„Plötzlich stand ich in einem Hauptgebäude mit hohen Decken, Rigips, Glas und einer Hightech-Empfangstheke.“ Lichters kleines Zimmer hatte Jugendherbergs-charme. Kein WLAN, kein Radio, kein Fernsehapparat. Zum Abendessen gab’s Brot, Butter, Käse, Kaffee und Tee. „Wir saßen mit Abstand an Gruppentischen. Aber ich konnte gucken, freundlich nicken, blinzeln und schelmisch grinsen wie ich wollte, niemand schaute zurück oder erwiderte meine Kontaktaufnahme. Alle starrten nur in Gedanken versunken auf ihre Teller und rührten sich nicht“, erzählt die Frohnatur mit Brille und Zwirbelbart.

Eine schwierige Situation für den geselligen Mann, der nie um einen flotten Spruch verlegen ist. „Ich merkte, dass ich trotz meiner Suche nach Stille und Ruhe doch wenigstens gerne einen freundlichen Gruß am Tag an meine Mitmenschen richten wollte.“ Auch beim anschließenden Zen-Kurs, einem Seminar zur Findung der eigenen Mitte, war das so. Lichter setzte sich auf ein kleines Holzbänkchen und lauschte dem Zen-Meister, wie der eine Dreiviertelstunde lang über das richtige Sitzen philosophierte. Zu viel für den gelernten Koch. „Mir rauchte irgendwann der Schädel. Von Entspannung oder meiner Vorstellung von einem Schweigekloster war ich mittlerweile so weit weg wie Bayern München vom letzten Platz in der Bundesliga“, witzelt der Moderator.

Er gab auf, kam nach der Pause nicht mehr zurück an seinen Platz und drehte lieber eine Runde durch den Wald. „Dabei dachte ich mir: Super! Jetzt biste gerade mal fünf Stunden hier und hast die Nase schon gestrichen voll.“ Die nächsten Tage waren nicht besser. Egal ob bewusstes Laufen im Kreis, Streicheln der Fensterscheibe beim Putzen oder behutsames Rauszupfen von einzelnen Gräsern beim Unkrautjäten – Lichter wurde klar: Meister Zen und seine Kurse waren nichts für den redseligen Buchautor. „Ich überlegte mir, warum ich hier bin. Weil ich wissen wollte, wie das so ist, wenn man heutzutage mit absoluter Ruhe konfrontiert wird.“

Er traf eine Entscheidung. Lichter blieb im Kloster, beschäftigte sich die folgenden Tage aber selbst – zum Beispiel mit Spaziergängen und Fahrradtouren. Ins Kloster kam er nur noch zum Essen und zum Schlafen. Lichter schwieg, redete mit niemandem, suchte täglich nach der Stille. Und fand sie. Er machte sich Gedanken über sein bisheriges Leben. Seine Karriere als Moderator und Ex- Fernsehkoch, den Stress, die anstrengenden Zwölf-Stunden-Tage. Über den Tod seiner geliebten Mutter und den Schlussstrich, den er damals unter seine vier festen Fernsehsendungen „Lafer, Lichter, Lecker“, „Küchenschlacht“, „Schnitzeljagd“ und „Lichters Originale“ zog, weil ihm alles zu viel wurde.

Über sein Kind, das am plötzlichen Kindstod starb, über sein Horst geht ein Licht auf erstes Restaurant, die „Oldiethek“, die Ende 2010 geschlossen wurde, seine zwei Schlaganfälle und seinen Herzinfarkt, seine existenzielle Geldnot durch den Kauf eines Hauses in jungen Jahren, die Schulden, die er durch Malochen im Bergbau und mit Arbeit auf dem Schrottplatz abbezahlt hat.

Lichter verstand: „Man muss immer wieder anhalten, zurückblicken und nach vorne schauen.“ Dabei aber nie aufgeben und sich Ruhepausen gönnen. Das macht er auch. Jeden Morgen nimmt sich der Moderator eine Stunde Zeit, um zu frühstücken, gemütlich in den Tag zu starten. Entspannen kann er wunderbar in der Badewanne und in seiner Garage bei den Oldtimern und Motorrädern. „Männeryoga“ nennt er seine Leidenschaft, das Schrauben, Basteln und Rumwerkeln an seinen Schätzen.

Auch seine Ehefrau Nada, mit der Lichter seit mehr als 23 Jahren zusammen ist, seine drei Kinder und fünf Enkeltöchter geben dem Fernsehstar Kraft.

Horst Lichter:

„Ich bin dann mal still“. Knaur Balance, 208 Seiten; 18 Euro.

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