„Alles, was ich schön finde, habe ich reingepackt“ – so definierte Jendrik Sigwart nach dem Sieg beim deutschen Vorentscheid fröhlich den Stil seines Songs „I don’t feel Hate“, mit dem er am Samstag in Rotterdam im Finale des Eurovision Song Contest (ESC) antritt. Charakteristisch für den Gute-Laune-Song mit Botschaft ist die Ukulele, die der 26-jährige Musicaldarsteller aus Hamburg zumindest in der Öffentlichkeit kaum je aus der Hand legt. Nun wird’s langsam ernst, die ersten Proben unter Corona-Bedingungen hat Jendrik bereits absolviert Ein Gespräch vor einem Spektakel, das in Zeiten der Pandemie etwas anders ablaufen wird als sonst.
Wie fühlen Sie sich kurz vor dem Finale? Es ist ja nun sogar doch Live-Publikum zugelassen. Sind Sie sehr aufgeregt?
Wir hatten am Montag die erste Show mit Publikum – das war mega! Ich bin nicht sehr aufgeregt, aber ein bisschen schon. Der erste Eindruck war sehr überwältigend.
Sie haben den deutschen Vorentscheid im Februar klar gewonnen – aber das heißt ja noch lange nicht, dass international auch so gut läuft. Wie ist da so Ihr Gefühl?
Mein Gefühl ist im Moment so, dass der Titel im Ausland besser ankommt als in Deutschland.
In den vergangenen Jahren sind die deutschen Teilnehmer ja – mit Ausnahme von Michael Schulte 2018 – sehr weit hinten gelandet. Welches Minimalziel streben Sie vor diesem Hintergrund an?
Den ersten Platz natürlich. (Lacht.) Ich trete an, um zu gewinnen – wie alle Teilnehmer. Trotzdem wäre ich auch über einen letzten Platz nicht traurig, denn mein Traum war es ja, einmal beim ESC mitzumachen. Und der ist schon wahr geworden.
Bei den Wettquoten liegen Sie ziemlich weit hinten…
Die sind ein wichtiger Indikator, klar. Ich vertraue aber auf meine Live-Performance. Die kann einiges ändern.
Die schlechte Platzierung irritiert Sie nicht?
Nein, ich wusste, dass der Song polarisieren wird.
Es hätte ja auch die Möglichkeit gegeben, eine Ballade zu präsentieren. Aber das entspricht nicht so Ihrem Naturell, oder?
Doch, ich schreibe auch ernste Songs. Songs, die Gefühle auslösen. Positive oder negative. Aber bei diesem Titel war ich mir sicher: Der gehört zum ESC! Deshalb habe ich mich damit beworben. Ich habe im Verlauf des Bewerbungsprozesses bei einem Songwritercamp noch weitere Songs geschrieben, aber die Jury hat dann entschieden, dass sie „I don’t feel Hate“ auf der Bühne sehen und hören möchte.
Haben Sie sich mit Ex-Teilnehmerinnen und -teilnehmern über deren Erfahrungen ausgetauscht?
Nein. Ich fände es seltsam, jemanden, den man nicht persönlich kennt, anzusprechen oder anzuschreiben: Hallo, ich fahre übrigens auch zum ESC. Und es wäre ja auch komisch, wenn ich die Sisters frage, wie es war, Letzte zu werden. (Lacht.)
Wer ist Ihr persönlicher Favorit?
Als Teilnehmer beurteile ich ungern die Konkurrenz, aber ich finde, dass es viele geile Songs gibt dieses Jahr. Dadi Freyr aus Island beispielsweise würde ich den Sieg auf jeden Fall gönnen.
. Sie sind jetzt deutschlandweit bekannt. Verändert das etwas im persönlichen Umfeld? Schaut man Sie mit anderen Augen an?
Nein – und ich bin sehr dankbar dafür. Höchstens im Spaß sagt mal jemand: Der darf sich das erlauben, der ist jetzt ESC-Star! (Lacht.) Eigentlich ist alles wie vorher. Meine Freunde und meine Familie behandeln mich normal – und ich sie auch.
Und wie geht es nach dem ESC weiter? Gibt’s schon Pläne?
Das hängt davon ab, wie ich abschneide – aber eigentlich auch nicht. Es hängt eher vom Geld ab. Mein Ziel ist es schon, meine eigene Musik zu pushen und ein eigenes Album herauszubringen – für alle, die meine Musik mögen. We ’ll see!
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann