„Ich bin Fußballspieler – also kann ich gar nicht schwul sein.“ Mit dieser Überzeugung kämpfte Marcus Urban als 16-Jähriger gegen seine sexuelle Neigung an. Für das vielversprechende Nachwuchstalent von Rot-Weiß Erfurt auf dem Weg zum Profikicker war es undenkbar, sich und anderen die Homosexualität einzugestehen. Zu groß war die Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung.
Eine Angst, die der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger gut verstehen kann. Auch er hatte erst nach dem Ende seiner Profikarriere sein Coming-out. In der sehenswerten „37-Grad“-Reportage, die das ZDF heute um 22.15 Uhr zeigt, spricht er über den Spagat zwischen Leistungssport und persönlichem Glück.
Wie homophob ist Männerfußball wirklich? Eine Frage, der Annette Heinrich in ihrer Reportage „In der Abseitsfalle“ nachgeht. Marcus Urban, der Amateurkicker Benjamin Näßler und Thomas Hitzlsperger sprechen sehr offen über ihre Erfahrungen und über den seelischen Druck, der auf einem Menschen lastet, der nicht nur Leistung bringen, sondern darüber hinaus ein anstrengendes Versteckspiel inszenieren muss. „Ich wurde zunehmend aggressiv auf dem Platz“, erinnert sich Urban. „Und ich habe andere homophob beleidigt, nur um selbst nicht aufzufliegen.“
Der gebürtige Münchner Hitzlsperger, der außer in der Bundesliga auch einige Jahre in der englischen Premier League sowie in Italien kickte, erntete für sein Coming-out im Jahr 2014 viel Anerkennung. Dennoch ist seitdem kein Fußballprofi seinem Vorbild gefolgt. „Das finde ich sehr schade“, sagt der 38-Jährige, der als Vorstandsvorsitzender des Bundesligisten VfB Stuttgart für mehr Diversität kämpft. „Gerade, wenn die Karriere hinter einem liegt, hat man nichts mehr zu verlieren. Da würde eine klare Haltung anderen Mut machen.“