Es ist Bewegung gekommen ins Genre Information im deutschen Fernsehen. Die Privaten planen wie berichtet neue Nachrichten- und Magazinsendungen und holen sich das Personal dafür von den Öffentlich-Rechtlichen, namentlich bei den Institutionen „Tagesschau“ und „Tagesthemen“. Büßen ARD und ZDF ihren Vorsprung auf diesem Feld ein? Ist „RTL aktuell“ demnächst die meistgesehene News-Sendung des Tages? Unsere Zeitung sprach mit Oliver Köhr (44), seit 1. Mai als Nachfolger von Rainald Becker neuer ARD-Chefredakteur.
Jan Hofer, Linda Zervakis, Pinar Atalay – Hand aufs Herz, hat schon der nächste große Name um Vertragsauflösung gebeten, um zu den Privaten zu wechseln?
Da die Verträge mit unseren Moderatorinnen und Moderatoren in den jeweiligen Landessendern abgeschlossen werden, kann ich das nicht sagen. Mir ist aber kein weiterer Abschied bekannt.
Das ZDF hat– noch – keine Nachrichten-Promis verloren. Zahlt die ARD ihren News-Stars nicht genug?
Ich bin mir nicht sicher, ob es allein eine Frage des Geldes ist. Wenn es ausschließlich um Honorare und Gehälter ginge, könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk den kommerziellen Sendern nicht Paroli bieten. Die Möglichkeiten sind hier begrenzt. Aber es geht ja auch um Inhalte, um Formate mit Qualität und Anspruch. In dieser Hinsicht ist die ARD besonders attraktiv.
Wie groß schätzen Sie den Imageschaden, wenn jetzt vertraute ARD-Gesichter bei RTL und Pro Sieben Nachrichten „verkaufen“?
Einen Imageschaden kann ich wirklich nicht erkennen. Dass Journalisten den Arbeitgeber wechseln, ist ja durchaus üblich und auch im Printbereich verbreitet. Offenbar gelingt es uns, Talente zu finden und zu fördern. Denn eine Abwerbung ist ja das Ergebnis dieser guten Ausbildung. Die ARD leistet damit auch einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag für den Erhalt des Qualitätsjournalismus – über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinaus.
Fürchten Sie nicht um Ihr Quasi-Monopol als Informationssender, wenn die Privaten jetzt so massiv aufrüsten?
Ich bin gespannt, was die kommerziellen Mitbewerber tatsächlich an Innovationen im Nachrichtenbereich bieten. Die ARD hat das größte Korrespondentennetz, das Erste den größten Informationsanteil aller Sender hierzulande. Wir haben sicher kein Monopol, auch kein Quasi-Monopol, aber wir haben die größte Expertise, aus Sicht der Zuschauer die höchste Glaubwürdigkeit und die qualitativ besten Angebote. Und müssen damit auch keine Konkurrenz fürchten.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.