„Das ist ja Steinzeit“ – ein schnelles Urteil, das absolute Rückständigkeit suggeriert, nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich. Doch die Kultur der Steinzeitmenschen war offensichtlich um einiges differenzierter als lange angenommen. Das betrifft wohl auch den Umgang der Geschlechter. Die Dokumentation „Frauen und Männer der Steinzeit – Gleicher als gedacht?“, zu sehen am Samstagabend um 22.40 Uhr auf Arte, geht zum Beweis quer durch Europa auf eine Zeitreise 25 000 Jahre zurück in die Vergangenheit.
Die „Balzi Rossi“, die Roten Felsen an der französisch-italienischen Grenze nahe dem Mittelmeer, sind einer der Schauplätze. Hier liegt die Höhle des Caviglione, in der der Arzt und Archäologe Émile Rivière im Jahre 1872 das komplett erhaltene, jahrtausendealte Skelett eines Menschen entdeckte, samt Grabbeigaben und Schmuck. Rivière glaubte damals, einen Mann gefunden zu haben. Elena Rossoni-Notter, die Direktorin des Museums für prähistorische Anthropologie in Monaco, erklärt, dass Rivière ferner der Ansicht war, der „Mann von Menton“ sei friedlich im Schlaf gestorben.
Spätere Forschungen haben jedoch ergeben, dass es sich um eine Frau handelt. Der „Mann von Menton“ ist also eine Frau – und heißt jetzt die „Dame von Cavillon“. Was ihren Tod angeht, gibt es ebenfalls neue Erkenntnisse. Was sie vielleicht eine Schamanin, hatte sie Häuptlingsrang? Sicher geklärt werden kann das bis heute nicht, doch ist durch die moderne Archäologie viel Neues zu erfahren, insbesondere im Hinblick auf die Grabstätten, die Herkunft der Begrabenen, die Umstände des Todes und der Beisetzung.
Die Doku untersucht Fundstellen in Frankreich, Tschechien, Italien und Russland. Die Grabfunde ermöglichen präzisere Aussagen über die Völker der Altsteinzeit und ihr gesellschaftliches Gefüge – möglicherweise waren Frauen damals nicht immer Männern untergeordnet.
Autorin Pauline Coste lässt weitere Naturwissenschaftler zu Wort kommen und stellt anhand von Animationen das mögliche Leben der Frauen und Männer aus der Steinzeit dar. Sie fügt auch Zitate aus den Forschungsberichten von Émile Rivière ein. Seine Grabungen dauerten mehr als 18 Monate, sie steckten voller überraschender Wendungen und haben unser heutiges Bild von den Männern und vor allem den Frauen der Steinzeit nachhaltig verändert. Was die neuen Forschungen zutage gefördert haben, konnte er damals nicht ahnen.