Haudrauf mit Herz

von Redaktion

Vor 40 Jahren löste Götz George als Horst Schimanski seinen ersten „Tatort“-Fall – Geburt einer Legende

Die Szene ist legendär – ein Mann findet in seiner dreckigen Hochhausbude mit Blick aufs nahe Stahlwerk keine saubere Pfanne für Spiegeleier. Kurzerhand haut er zwei Eier in ein Glas und trinkt sie roh. Vor genau 40 Jahren, am 28. Juni 1981, hatte Götz George (1938–2016) seinen ersten Auftritt als „Tatort“-Kommissar Horst Schimanski – es war der Beginn einer neuen Ära im Genre Krimi. Der Ruhrpott-Rambo mit dem Schmuddelparka und dem inflationären Gebrauch von Schimpfwörtern wurde zu einer Ikone. Für viele Krimifans ist „Schimmi“ bis heute der beste „Tatort“-Kommissar, den es je gab.

„Zottel, du Idiot, hör auf mit der Scheiße“ waren die ersten Worte des Ermittlers aus Duisburg, sie schlugen ein wie eine Bombe. Heutzutage sind ruppige Kommissare keine Ausnahme mehr, sondern eher die Regel – man denke nur an Peter Faber (Jörg Hartmann) aus Dortmund. Doch damals war das neu. Zuvor waren Fernsehkommissare keine Malochertypen, denen die Faust locker saß, sondern zumeist korrekte Beamte, so wie „Schimmis“ Vorgänger Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) aus Essen.

Mit dem hemdsärmeligen Schimanski hielt der Geist der Achtundsechziger Einzug. Krawatte? Fehlanzeige! Stattdessen trug er stets jene berühmte beige Militärjacke, die seitdem „Schimanski“-Jacke heißt. „Schimmi“ fluchte, prügelte, aß Currywurst, trank zu viel Alkohol und rieb sich an Autoritäten. Lokalpolitiker und die „Bild“ waren empört, der Leiter der realen Duisburger Mordkommission wird mit dem Satz zitiert: „Bei mir dürfte dieser Mann nicht mal Fahrraddiebstähle bearbeiten.“ (Siehe auch Kasten.)

Auch Schimanskis biederer Kollege Christian Thanner (Eberhard Feik), der in der ersten Szene mit Anzug und Fliege auftrat und die Dienstvorschriften peinlich genau nahm, hielt nichts von dessen rauen Ermittlungsmethoden. Er stritt sich oft mit dem auf Krawall gebürsteten Kollegen, quasi stellvertretend für die wütenden Zuschauer. Mehr als 15 Millionen Krimiseher verfolgten dennoch „Schimmis“ ersten Einsatz mit dem Titel „Duisburg-Ruhrort“ über den Tod eines Binnenschiffers, viele schüttelten sich bei der Szene mit den rohen Eiern vor Ekel. Die Einstellung musste übrigens mehrmals gedreht werden, Götz George musste sich deshalb später übergeben.

Von 1981 bis 2013 verkörperte der Schauspielstar den Ermittler, der zum berühmtesten „Tatort“-Kommissar aller Zeiten werden sollte. Es gab mit „Zahn um Zahn“ (1985, mit der berühmten Musik von Klaus Lage) und „Zabou“ (1987) sogar zwei actionreiche Kinofilme – lange bevor Til Schweiger dieselbe Idee hatte. Für negative Schlagzeilen sorgte 1989 die Folge „Blutspur“, die wegen ihrer Brutalität nach der Erstausstrahlung in den Giftschrank wanderte und erst 1999 zum ersten Mal wiederholt wurde.

Schon im Jahr 1991 lief der 29. und letzte „Tatort“ mit George als Kommissar, in der unvergessenen Schlussszene segelt er an einem Hängegleiter durch die Lüfte. Als Privatermittler trat er später 17 Mal in der ARD-Reihe „Schimanski“ auf, lebte in Belgien auf einem Hausboot, nach Eberhard Feiks frühem Tod war Chiem van Houweninge alias Hänschen sein Partner. Hauptdarsteller Götz George starb 2016 im Alter von 77 Jahren nach kurzer Krankheit. In einem Interview hatte er einmal betont, dass die Figur des Horst Schimanski, an deren Entstehung er mitgewirkt hatte, stets seine liebste war.

Auch der Kohlenpott und die Stadt Duisburg, deren Oberhäupter sich jahrelang über die raue Darstellung der Gegend in den Filmen geärgert hatten, schlossen ihn irgendwann ins Herz, im Jahr 2014 wurde sogar eine bis dahin namenlose Straße im Stadtteil Ruhrort zur Horst-Schimanski-Gasse. Die ARD möchte die Marke Schimanski gerne wiederbeleben und bastelt an einer Serie mit dem Arbeitstitel „Seine Tochter“, in der die Saga fortgesetzt wird. Das Projekt wurde aber wegen Corona vorerst auf Eis gelegt.

CORNELIA WYSTRICHOWSKI

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