Schafft es erstmals eine Frau an die Spitze des ZDF, noch dazu eine, die von außen kommt? Oder setzt sich der hauseigene Kandidat durch? Heute kommt der Fernsehrat des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) in Mainz zusammen, um eine neue Intendantin oder einen neuen Intendanten zu wählen. Für das Amt bei dem öffentlich-rechtlichen Sender kandidieren die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel (57) und ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler (50). Amtsinhaber Thomas Bellut (66) bewarb sich nicht mehr für eine dritte Amtszeit und hört im März nächsten Jahres nach zehn Jahren auf.
Im Umfeld des Fernsehrats wird das Rennen zwischen den beiden Medienmanagern als echte Wahl gewertet. Entschieden sei noch nichts. Die Bewerbungen und Konzepte von Hassel und Himmler werden als gleichwertig beschrieben. Das ZDF solle ein „Ort für gute Konflikte“ werden, zitiert der „Spiegel“ aus Hassels Wahlprogramm. Es solle Raum geben für die „Vielfalt von Meinungen“, für „Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft“, und zwar „ohne Bewertung und Belehrung“. Ganz ähnlich klingt Himmlers Konzept. Er wolle „die Pluralität von Meinungen abbilden, die deutsche Lebenswirklichkeit zeigen, auch in der Fiktion, dabei Klischees und Stereotype vermeiden, Gesprächsrunden bunter besetzen“.
Himmler genießt einen Heimvorteil, viele sehen ihn als Favoriten. Auch Bellut war ZDF-Programmdirektor, bevor er an die Spitze des Mainzer Senders rückte. Der gebürtige Mainzer Himmler arbeitet bereits sein gesamtes Berufsleben lang in unterschiedlichen Funktionen beim ZDF, er gilt als Macher hinter den Kulissen und kennt das Haus gut. Als Programmchef (seit 2012) betrieb er maßgeblich den Aufbau des Spartensenders ZDF Neo und gab damit Impulse, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Das ist seit Jahren ein wichtiges Anliegen des öffentlich-rechtlichen Senders, dessen Zuschauerinnen und Zuschauer (ähnlich wie bei der ARD) im Schnitt immer älter werden. Auch hinter Jan Böhmermanns ZDF-Karriere steht Himmler.
Seine Karriere startete er nach einem Germanistik- und Politikstudium sowie der Promotion Ende der Neunzigerjahre als freier Mitarbeiter in der „heute“-Redaktion und volontierte dann beim Mainzer Sender. Schon 2002 wurde er Referent des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender und ab 2008 Leiter der Spielfilmredaktion. Ein Jahr später übernahm er die Leitung von ZDF Neo, bis er Programmdirektor wurde.
Tina Hassel war in ihrer Karriere oft vor der Kamera tätig und ist so einem Millionenpublikum bekannt. Die Politikjournalistin ist seit 2015 Leiterin des Hauptstadtstudios der ARD unweit des Bundestags. Hassel interviewt regelmäßig Spitzenpolitiker und ist damit ein wichtiges Gesicht des Senderverbundes. Sie bringt auch Auslandserfahrung mit. Mancher im Umfeld des Fernsehrats hebt bei ihrer Kandidatur das journalistische Profil hervor, weil man sich eine journalistisch geprägte Intendanz wünsche.
Die studierte Historikerin volontierte beim Westdeutschen Rundfunk (WDR). Nach ersten Stationen war Hassel von 1994 bis 2001 ARD-Korrespondentin in Paris und Brüssel. Danach wurde sie Auslandschefin des WDR, es folgte die Leitung des ARD-Studios Washington. Dass sich Hassel vor drei Jahren via Twitter lobend über die Grünen äußerte, haben viele Beobachter nicht vergessen. Die Journalistin hatte sich begeistert von der „frischen grünen Doppelspitze“ und der damit verbundene „Aufbruchsstimmung“ gezeigt. Hassel, so heißt es laut „Spiegel“ von ihren Anhängern im Rat, habe ihren Fehler eingesehen. Zwei gleich große Lager im Fernsehrat entscheiden über die Personalien. Der Fernsehrat agiert als Aufsichtsgremium unabhängig. Er setzt sich aus Mitgliedern zusammen, die die Breite der Gesellschaft abbilden sollen – zum Beispiel von Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Für die beiden Lager haben sich die Begriffe schwarzer und roter Freundeskreis eingebürgert. Aus dem Umfeld des Rates ist zu hören, dass es diese „Farbenlehre“ nicht mehr gebe. Himmler gilt als Kandidat der Konservativen, hinter Hassel steht der rote Freundeskreis.
Die Hürde für beide ist hoch. Es gewinnt die Wahl, wer mindestens drei Fünftel der Stimmen aller 60 Mitglieder auf sich vereinen kann – das sind 36. Selbst wenn also ein Kreis geschlossen für eine Kandidatin oder einen Kandidaten votiert, reicht das nicht aus. Es braucht noch Stimmen aus dem anderen Lager. Rein theoretisch kann es also sein, dass es heute noch kein Ergebnis gibt. Die bayerischen Stimmen werden dem schwarzen Freundeskreis zugerechnet. Dass Vertreter der Staatsregierung oder konservative Fernsehräte – darunter Ex-Ministerin Gerda Hasselfeldt – für Hassel stimmen würden, sei gewiss nicht zu erwarten, heißt es intern. In der CSU war schon mehrfach darüber gemurrt worden, die Öffentlich-Rechtlichen, vor allem das ZDF, hätten bereits genügend Führungspersonal links der Mitte.
Das Zweite Deutsche Fernsehen nahm am 1. April 1963 den Betrieb auf und zählt mit rund 3500 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den größten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Europa. Neben dem Hauptprogramm gehören auch die Spartensender ZDF Neo und ZDF Info zur Senderfamilie, genauso wie das gemeinsame ZDF-ARD-Angebot „Funk“ im Netz für junge Leute. Im vergangenen Jahr erreichte der Mainzer Sender 13,6 Prozent Marktanteil und war damit Spitzenreiter aller deutschen Sender.