Erfolge am laufenden Band

von Redaktion

Erinnerungen an den Showmaster, Entertainer und Formaterfinder Rudi Carrell (1934–2006)

VON MARTIN WEBER UND RUDOLF OGIERMANN

Er war der Exot unter Deutschlands Showmastern, der seine niederländische Herkunft auch sprachlich nie verleugnete, aber stets besessen, man möchte fast sagen „typisch deutsch“ für den Erfolg ackerte. Und sich so für Jahrzehnte ganz oben hielt. Rudi Carrell erfand viele erfolgreiche Formate, moderierte Showklassiker wie „Am laufenden Band“ oder „Rudis Tagesshow“ und setzte so bis heute Maßstäbe für die jüngere Generation. Heute vor 15 Jahren, am 7. Juli 2006, starb Carrell mit 71 Jahren an Lungenkrebs.

In seinen Shows ließ sich „Kojak“-Star Telly Savalas die Glatze kämmen, Carrell alberte mit „James Bond“ Roger Moore herum und konnte sogar den großen Muhammad Ali für einen spaßigen kleinen Boxkampf gegen eine alte Dame gewinnen, die den Champion mit einem gezielten rechten Haken erwartungsgemäß auf die Bretter schickte. Doch was stets so leicht, locker und spontan wirkte, war das Ergebnis akribischer Vorbereitung. Man könne nur die Gags aus dem Ärmel schütteln, die man zuvor hineingesteckt habe, lautete sein Credo.

Geboren wurde Rudi Carrell im Jahr 1934 als Rudolf Wijbrand Kesselaar im niederländischen Alkmaar. Der Sohn eines Zauberkünstlers wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, erwarb sich in jungen Jahren als Bauchredner, Zauberer, Conférencier und Sänger erste Sporen im Showbusiness und schaffte es Ende der Fünfzigerjahre schließlich ins niederländische Fernsehen.

Ein preisgekrönter Auftritt beim Festival im schweizerischen Montreux im Jahr 1964 machte deutsche Fernsehverantwortliche auf das Talent aus dem Nachbarland aufmerksam. Ein Jahr später begann mit der „Rudi Carrell Show“ (ARD) die Erfolgsgeschichte des Entertainers in Deutschland. Sie erreichte einen ersten Höhepunkt mit der Show „Am laufenden Band“, mit der er zum König des Samstagabends avancierte.

Kettenraucher Carrell machte aber nicht nur vor der Kamera eine gute Figur, sondern erfand auch zahlreiche Formate, darunter „Rudis Tagesshow“, den Kuppelshowklassiker „Herzblatt“ oder „Rudis Tiershow“ (alle ARD). Mit Gassenhauern wie „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ oder „Goethe war gut“ begeisterte Carrell das Publikum auch als Sänger, außerdem war er in zahlreichen Filmkomödien zu sehen.

Als Künstler war Carrell unpolitisch, dennoch sorgte er für Ärger zwischen Deutschland und dem Iran, als er im Jahr 1987 in „Rudis Tagesshow“ den Ayatollah Ruhollah Khomeini mit einer Montage veralberte, in der der religiöse Führer von seinen Anhängern mit Dessous beworfen wird. Carrell musste sich schließlich öffentlich entschuldigen.

Viele Kollegen aus der Showbranche, die Carrell gerne hart kritisierte oder gar verspottete, warteten dagegen meist vergeblich auf eine Entschuldigung des Altmeisters, der von sich selber einmal sagte, er habe nie Freunde gehabt. So prognostizierte er öffentlich, dass Komikerin Anke Engelke mit ihrer Late Night Show scheitern werde. Die Empörung war groß, doch am Ende behielt der Routinier Recht. Einer müsse ja aussprechen, wenn etwas nicht funktioniere, erläuterte er dazu später in einem Interview.

In seinen späten Jahren war Carrell für RTL tätig, kreierte dort den Komikerstammtisch „7 Tage, 7 Köpfe“, an dem er die ersten Jahre auch selbst Platz nahm. Während es also beruflich für Rudi Carrell bis zuletzt gut lief, glich das Privatleben des dreifachen Vaters einer Achterbahnfahrt. Seine erste Ehe mit einer Niederländerin scheiterte, seine zweite, deutsche Frau erlag einer unheilbaren Krankheit, ebenso seine langjährige Geliebte. Im Jahr 2001 heiratete er seine dritte und letzte Frau, die 36 Jahre jüngere Simone Felischak.

Seinen letzten großen Auftritt hatte der Wahl-Bremer Carrell nur wenige Wochen vor seinem Tod bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“ für sein Lebenswerk in Berlin – gezeichnet vom Krebs, aber immer noch lächelnd und scherzend, wie ihn das Publikum all die Jahre kannte und liebte. Und natürlich hatte er auch die Worte, die er hier wählte, genau geplant.

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