Für viele sind sie der Inbegriff der Traumreise, auf die lange gespart wird. Das Meer, der Besuch malerischer Städte und exotischer Länder, das alles bei bestem Komfort an Bord locken Millionen von Menschen auf Kreuzfahrtschiffe. Doch die Trips haben ihre Schattenseiten – die XXL-Dampfer gelten als klimaschädlich, Hafenstädte ächzen unter dem Andrang der Massen. Nach langer Zwangspause durch Corona sind die Kreuzfahrtschiffe wieder unterwegs, und mit dem Neustart tauchen die alten Probleme auf. Für die Reihe „ZDF Zeit“ ging Sören Folkens mit an Bord einer schwimmenden Bettenburg. Seinen Film „Endlich wieder Kreuzfahrt – Mit Volldampf aus der Krise?“ zeigt der Mainzer Sender heute um 20.15 Uhr.
Die Kreuzfahrtindustrie boomte die vergangenen beiden Jahrzehnte wie keine andere Tourismusbranche. Doch mit Corona kam der Stillstand. Über ein Jahr durfte kaum ein Schiff ablegen, die Umsätze der Reedereien tendierten gegen null. Auch der Schiffsbau in Deutschland mit immerhin rund 20 000 Jobs funkte SOS. Nun zieht die Nachfrage nach neuen Schiffen wieder an. Alles wieder in Ordnung also?
Zumindest an Bord ist die Stimmung gut, auch wenn die Hygienestandards streng sind, wie der Film zeigt. Nur rund jede zweite Kabine ist belegt, Abstand ist auch auf hoher See oberstes Gebot. Ein Corona-Ausbruch könnte der Branche schnell einen Rückschlag verpassen. Deshalb setzen die Veranstalter auf das „Bubble“-Konzept. Alle Mitreisenden begeben sich in eine „Sicherheitsblase“, sie bleiben unter sich, Kontakte nach außen sind streng verboten. Eigene Erkundungstouren bei den Landausflügen sind tabu. Aber das hält viele nicht von einer Buchung ab, ebenso wenig andere Vorwürfe, mit denen sich die Kreuzfahrtbranche seit Langem konfrontiert sieht.
Die Schiffe gelten als Dreckschleudern, die Arbeitsbedingungen an Bord seien häufig schlecht, bemängeln Experten, und die tausenden Menschen an Bord überschwemmten die Hafenstädte. Die Krise hat das Dilemma offenbart. Geplagte Einwohner der Hotspots atmeten buchstäblich auf, die Tourismusbranche dort lag dagegen am Boden, viele Beschäftigte müssen um ihre Existenz fürchten.
Venedig ist besonders von den Ozeanriesen geplagt. Bis zu 16 Schiffe am Tag landeten vor Corona in der Altstadt an. An den jahrhundertealten Fassaden klebt der Ruß, den die Kamine der schwimmenden Hotels Tag und Nacht ausspucken. Außerdem beklagen die Bürgerinitiativen, dass die Schiffe die Substanz der Stadt zerstörten. „Die Wasserverdrängung ist so enorm, die Wellen drücken so stark gegen die Mauern, dass jedes Jahr mehr Schäden sichtbar werden“, erklärt die Sprecherin des Vereins „We Are Here Venice“, Jane da Mosto. Einen Erfolg haben die Venezianer erzielt, seit diesem Wochenende dürfen große Kreuzfahrtschiffe nicht mehr am Markusplatz vorbei durch die Lagune fahren. Sie müssen stattdessen im Hafen von Marghera anlegen, einem auf dem Festland gelegenen Stadtteil Venedigs.
Was bleibt, ist die Umweltbelastung durch die Riesenschiffe. Dabei unternehmen die Reedereien nach eigenen Angaben inzwischen sehr viel, um das schlechte Image loszuwerden, Pötte mit besonders hohem Schadstoffausstoß sollen nach und nach abgewrackt werden. Doch fraglich ist, ob die Branche tatsächlich klimafreundlicher wird. Der Tourismusexperte Torsten Kirstges ist überzeugt: „Damit sich die Lage wirklich verbessert, muss die Politik klare Regeln vorgeben. Von allein wird sich die Branche nicht so bewegen, wie es nötig wäre.“
Wie das aussehen kann, zeigt Norwegen. In den pittoresken Fjorden, in denen die Natur noch intakt ist, stand der Qualm der Kreuzfahrtschiffe oft tagelang. Weil die Norweger nicht auf die Touristen verzichten wollen, hat die Regierung angeordnet, dass in Zukunft nur noch Schiffe mit emissionsfreien Antrieben Kurs auf die bekanntesten Ziele nehmen dürfen.