Narrisch & wuid in die weite Welt

von Redaktion

Caro Neumeyer und Maria Hörtrich aus Großweil starten mit Internet-Sendungen durch

VON JOSEF HORNSTEINER

Sie müssen lachen, denken sie an Folge eins zurück. Die beginnt quasi mit einer Entschuldigung. Nicht für die kernige bayerische Aussprache. „Wir können gar nicht anders reden“, sagt Caro Neumeyer, 23 Jahre, Studentin aus Großweil (Landkreis Garmisch-Partenkirchen). Sie lacht. Hochdeutsch wäre zwar theoretisch möglich – aber sinnlos. „Das wären nicht wir.“ Die Entschuldigung gilt eher dem miserablen Internetempfang und zwei bescheidenen Mikrofonen. „Die Qualität war so schlecht. Wir wussten, da müssen wir als Erstes ran. An die Technik.“ Heute gehören Knistern im Hintergrund und schwankende Lautstärken der Vergangenheit an. Die Qualität kann mittlerweile locker mit Radiosendungen mithalten.

Neumeyer und ihre Freundin Maria Hörtrich, ebenfalls aus Großweil, betreiben seit Corona einen wöchentlichen, wunderbar bayerischen Podcast. Podcast bedeutet übersetzt „das gesprochene Wort“. Und reden können die beiden Studentinnen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Frei Schnauze und hantig bayerisch philosophieren, analysieren, recherchieren und probieren sich die beiden durch alles, was der Freistaat so hergibt. Ihr Einzugsgebiet ist „südlich des Weißwurstäquators“, sagt Hörtrich, 24.

Mit ihrer entwaffnenden Art schafften es die beiden, aus der anfänglichen Gaudi mit einer Handvoll Zuhörern ein ernst zu nehmendes Medienprojekt zu entwickeln. Hunderte Menschen fiebern mittlerweile jeden Donnerstag einer neuen Folge entgegen. Es gibt Fanartikel wie Pullover oder T-Shirts. Politiker, Musiker, Kabarettisten – viele saßen bereits in ihrem „virtuellen“ Studio. Kürzlich erst der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler).

Und das, obwohl sich die beiden Frauen im März 2020 noch so unschlüssig waren im Zimmer ihrer Eltern in Großweil, weil die Pandemie das Uni-Leben in Regensburg fast unmöglich machte. Hörtrich studiert Soziale Arbeit, Neumeyer Medienwissenschaften. Die Pandemie sei schon etwas Saublödes. Doch ausgerechnet die unverhoffte Zeit und Langeweile brachten das Duo auf die Idee, sich vor ein Mikro zu setzen.

Sie treten witzig auf. Doch ihre Themen sind durchaus ernst. Impfproblematik, Abtreibung, religiöser Fanatismus. Die Beiträge treffen oft mitten ins Herz. Einmal meldete sich eine Familie bei Neumeyer. Sie habe ihren Podcast über Organspende gehört. Die gut recherchierte Reportage habe sie dazu bewegt, einen Organspende-Ausweis zu beantragen. „So was macht stolz“, sagt Neumeyer.

Der Spaß in ihrer Stimme ist plötzlich weg. Sie klingt ernst, nach Tatendrang. Erfolg spornt an. Das Duo will mehr bewegen, als einfach nur Schönheitsprodukte in die Kamera zu halten oder Werbung für zwielichtige Apps zu machen. Sie wollen nicht so sein wie viele Influencer auf Instagram oder Youtube. „Wir wollen beeinflussen, das schon“, sagt Hörtrich. Aber auf eine eigene, bayerische Weise. Als die zwei spürten, dass ihr Podcast plötzlich mehr war als nur ein lustiger Zeitvertreib, fingen sie an, starke Frauen und Männer aus Bayern vorzustellen, entlarvten gängige Verschwörungstheorien und arbeiteten sogar historische Verbrechen auf. Den Spaß und ihren Humor haben sie dabei nie aus dem Blick verloren und bringen so selbst junge Leute dazu, sich 40 Minuten lang Zeit zu nehmen, um sich Wissen anzueignen. Bis zu zehn Stunden Arbeit pro Woche stecken sie in jede Folge.

So schön Erfolg und Reichweite auch sind – Schattenseiten für junge Frauen bleiben nicht aus. Schon nach den ersten Folgen begannen großteils ältere Männer, ihnen zwei-, teils eindeutige Nachrichten zu schreiben. Einmal kam es sogar zur Anzeige. „Aber da stehen wir drüber“, sagt Neumeyer. Bei vielen hunderten Zuhörern sei „halt immer ein Depp dabei“. 99,9 Prozent seien super, geben konstruktive Kritik, bringen sich bei Themen mit ein, freuen sich mit den beiden. Nun geht’s weiter. Das Gespann will auf das bisher Erreichte aufbauen. Der Instagram-Kanal läuft, fast 5000 Abonnenten. Youtube ist das nächste Ziel. „Wir möchten die Folgen zunehmend mit bewegten Bildern ergänzen.“ Beruflich kann ihnen ihr Ehrgeiz nur Positives bringen. Neumeyer möchte einmal Moderatorin werden, Hörtrich hat die Politik ins Auge gefasst. Ihre Stärken vereinen sie im Podcast, in ihrer Sprache, in ihrem Mut.

„Narrisch & wuid“

läuft online überall, wo es Podcasts gibt (etwa Spotify).

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