Himmel und Hölle

von Redaktion

Die ARD-Reportage „Echtes Leben“ befasst sich mit dem Alltag von Politikerinnen und Politikern

VON HEIDE-MARIE GÖBBEL

„Politik als Job? Könnt’ ich mir das vorstellen? Ich glaub’, das ist ein harter Job mit 60 bis 70 Arbeitsstunden“, vermutet der Fernsehjournalist Philipp Engel vom Hessischen Rundfunk. Ob dies wirklich so ist und warum der Beruf trotzdem gefragt ist, erkundete er in Berlin, Mainz, Frankfurt und an anderen Orten der Republik. Er befragte Neulinge und Altgediente in Landesparlamenten und im Bundestag nach Erwartungen und Motivationen. Das Erste strahlt die Reportage „Echtes Leben: Politik – Ein Höllenjob?“ an diesem Sonntag um 17.30 Uhr aus.

Engel trifft zuerst Caroline Bosbach bei einem Rheinspaziergang. Die 32-Jährige ist als politische Referentin in der CDU Wiesbaden tätig und will in die Fußstapfen ihres Vaters Wolfgang Bosbach treten. Man müsse hundert Prozent geben, neunzig reichten nicht, um die eigenen Ziele zu erreichen, sagt sie. Das sieht Gerhard Schick von den Grünen, früher stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses, anders. Mitmachen, um gemeinsam etwas zu erreichen, funktioniere nicht, so seine Erfahrung. Deswegen arbeite er heute als Lobbyist bei „Finanzwatch Deutschland“, einer Interessenorganisation von Anlegern und Verbrauchern für ein nachhaltiges und faires Finanzsystem.

Im Landtag von Rheinland-Pfalz spricht Engel mit dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Philipp Fernis. Für ihn stehen Haushaltsverhandlungen an. Danach trifft Engel auf Joachim Streit, Fraktions-Chef der Freien Wähler. Obwohl er der Opposition angehört, arbeitet er wie die meisten 60 bis 70 Stunden.

Wenn schon Landtagsabgeordnete so viel arbeiten: Wie sieht es dann bei der Ministerpräsidentin aus? Malu Dreyer hat trotz Pandemie, Naturkatastrophe und Wahlkampf noch einen Termin frei und antwortet lächelnd auf die Frage, ob Politik ein Höllenjob sei: „Sie können auch sagen, ein himmlischer. Man muss viel arbeiten und sich für die Menschen interessieren. Es ist anstrengend, aber auch schön.“ Zurzeit gebe es eine gesundheitliche Sondersituation, die sie zu bewältigen habe, sagt Dreyer. Man müsse einfach einen Weg finden, damit umzugehen: „Ich habe leichte Vorteile, dass jeder weiß, dass ich eine chronische Erkrankung habe.“ Damit sie die Belastung aushalte, gehe sie zweimal pro Woche zur Physiotherapie.

Zum Schluss der Reportage stellt Engel zwei Aussagen direkt gegenüber. Eileen O’Sullivan, 25, ist Fraktionsvorsitzende der Volt-Partei im Frankfurter Stadtparlament, und der 72-jährige CDU-Mann Volker Kauder verabschiedet sich nach 30 Jahren aus dem Bundestag. Beide unterscheiden sich in Sachfragen überraschend wenig voneinander, gehen aber mit unterschiedlicher Emotionalität an die Probleme heran.

Fazit der ARD-Reportage: Politiker und Politikerinnen sind mit hohem persönlichem Einsatz dabei. Nur eins ist der Job wirklich nicht – familienfreundlich. Und die Recherche zeigt: Unsere Volksvertreterinnen und -vertreter sind besser als ihr Ruf.

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