Es gebe fast nur noch Krimis, schlichte Komödien, Arztserien und Quizshows. Innovative, außergewöhnliche und gesellschaftspolitische Ideen würden zum größten Teil gar nicht mehr angefasst, weil sie so gut wie keine Chance hätten, gefördert zu werden. „Als Zuschauerin bin ich da schon etwas beleidigt, dass man mich so unterfordert.“ Sätze von Schauspielerin Sibel Kekilli aus einem ganz frischen Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Vielleicht sollte man die 41-Jährige einmal einladen, sich die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises, die am Donnerstagabend in Köln über die Bühne ging, nachträglich anzuschauen. Da wurden nämlich genau die TV-Programme ausgezeichnet, die Kekilli so vermisst: großartige Filme (etwa „Für immer Sommer 90“), starke journalistische Leistungen (von Markus Lanz bis Jan Böhmermann), Unterhaltung mit Haltung (Joko und Klaas) und das alles verpackt in eine kurzweilige, streckenweise saukomische Gala, deren Höhepunkt die Verleihung des Ehrenpreises an Hape Kerkeling war – mit Herz und „Hurz“!
Barbara Schöneberger hatte mit der ihr eigenen Mischung aus Professionalität, Witz und (Selbst-)Ironie durch den Abend geführt, der mehr als nur einen Hauch Normalität in immer noch nicht normalen Zeiten versprühte. Corona war so gut wie kein Thema – nur einmal wurde es emotional: als zwei Pflegekräfte auf der Bühne standen, die stellvertretend den Fernsehpreis in der Kategorie „Bestes Infotainment“ entgegennahmen. Der ging an die herausragende Produktion „Joko & Klaas – Live: Pflege ist #NichtSelbstverständlich“, die Ende März einen ganzen Abend lang bei ProSieben gelaufen war und den Alltag von Menschen wie Alexander Jorde und Franziska Böhler begleitet hatte. Das Publikum stand auf, minutenlang Applaus.
Überhaupt gab es viele berührende Momente. Etwa als Aminata Belli für ihre Sendung „follow me. reports“ (funk/ZDF) mit dem Nachwuchspreis überrascht wurde. Oder als Markus Lanz seiner 87-jährigen Mutter den Fernsehpreis widmete, den er in der Sparte „Beste Information“ gewonnen hat. Oder als „Panorama“-Moderatorin Anja Reschke (Fernsehpreis für „Beste Moderation/Einzelleistung Information“) ein leidenschaftliches Plädoyer für seriösen Journalismus hielt. Es war alles in allem ein würdiger Abend, dessen krönender Abschluss das Hoch auf Hape wurde. Als Laudatio hatten sich die Macher etwas Besonderes einfallen lassen: Kollegen interpretierten ein Medley, ja eigentlich eine richtige Revue, aus Kerkelings größten Hits. Popstar Sasha moderierte singend an, dann folgte von „Das ganze Leben ist ein Quiz“ (gesungen von Comedian Michael Kessler) über „Sklavin der Liebe“ (Angelika Milster als Uschi Blum) bis hin zum legendären „Hurz“ alles, womit Kerkeling uns in den vergangenen Jahrzehnten unterhalten hat. Vor allem jenes „Hurz“, das einst eine Nummer aus seiner ARD-Show „Total Normal“ (1991) war und nun von Opernstar Rolando Villazón neu zum Leben erweckt wurde, trieb den Zuschauern Tränen der Freude in die Augen. Die große Enttäuschung des Abends gab’s dann Freitagfrüh: Nur 1,35 Millionen Zuschauer waren an den Bildschirmen dabei.