Er ist wieder da

von Redaktion

Lars Eidingers letzter Auftritt als Mörder im „Tatort“ – Autor Sascha Arango vollendet Trilogie

Vor knapp zehn Jahren lutschte er das erste Mal an einer fremden Zahnbürste, schlich sich als „stiller Gast“ ins Leben seiner weiblichen Opfer und schrieb als Serienmörder Krimigeschichte: An diesem Sonntag kehrt der unheimliche Kurierfahrer Kai Korthals in den „Tatort“ zurück und führt den Kieler Kommissar (gespielt von Axel Milberg) erneut an seine Grenzen. „Borowski und der gute Mensch“ (ARD, 20.15 Uhr) ist der finale Teil einer hochspannenden Trilogie, die Drehbuchautor Sascha Arango geschrieben hat. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt der 61-Jährige, warum er Sympathien für seinen Serienkiller hegt.

Wie fühlt es sich an, den unheimlichsten Mörder der „Tatort“-Geschichte erschaffen zu haben?

Das ist ja ein sehr großes Kompliment! Es ist ein tolles Gefühl, weil die Wahl auf Lars Eidinger gefallen ist. Er hat diese Figur erst zu dem gemacht, was sie heute ist. Als wir anfingen, gab es ja noch nicht die Vision von drei Teilen.

Hatten Sie Lars Eidinger beim Schreiben bereits im Kopf?

Nein, ihn zu besetzen war eine Idee von Christian Alvart, der im ersten Krimi Regie geführt hat. Ich hatte Lars kurz zuvor im Theater gesehen, hätte aber nie gedacht, dass er sich für diese Rolle bereitstellen und sie mit so viel Leidenschaft und Hingabe ausfüllen würde.

Dabei haben ihm seine Lehrer an der Schauspielschule attestiert, dass er wegen seines sympathischen Auftretens wohl niemals böse Figuren spielen würde…

Was für ein Irrtum! Sein Geheimnis ist diese fragile Seite, die er jedes Mal zeigt. Die Tränen der Rührung, die ihn auch in Momenten des Bösen verletzlich machen. Lars Eidinger benutzt sein Gesicht tatsächlich als Bühne, was ich sehr beeindruckend finde.

Ohne zu viel zu verraten: Als Serienkiller Kai Korthals schreckt er auch im dritten Teil vor Gewalt nicht zurück. Was macht ihn dann, wie der Titel besagt, zum „guten Menschen“?

Er selbst ist davon überzeugt, kein schlechter Mensch zu sein. Das ist das Mantra, das er in allen drei Teilen der „Tatort“-Trilogie singt. Im Finale erkennt er nun: Egal, was er tut, es ist zerstörerisch und führt zu Gewalt. Der Titel beschreibt seinen Kampf um die menschliche Qualität des Gutseins, den er verliert.

Als Zuschauer hat man durchaus Mitgefühl für diesen Serienkiller…

Das war auch beim Schreiben ein Dilemma, weil ich so eine starke Sympathie für diese Figur entwickelt hatte, dass ich mich oft ermahnen musste, ihn nicht ins Paradies zu befördern. Die Verbrechen, die er im dritten Teil begeht, sind nicht geplant. Sie passieren ihm. Das Verhalten der anderen löst in ihm eine Reaktion aus, die er nicht mehr steuern kann. Er folgt seinem Impuls.

Gab es reale Vorbilder für Kai Korthals?

Keine konkrete Figur, aber Themen rund um die menschliche Psyche faszinieren und beschäftigen mich eigentlich schon immer. Ich habe sehr viel mit einer forensischen Psychologin gesprochen, die mit genau solchen Tätern arbeitet. Mir war es wichtig, dass die Szenen in der forensischen Abteilung des Gefängnisses realistisch sind.

Sie haben also keine Kriminalakte über einen „stillen Gast“, der scheinbar durch Wände geht?

Nein, auf die Idee kam ich durch eine Freundin, die mich fragte, ob ich in ihrer Wohnung gewesen sei. Das Badezimmerfenster stand offen. Ich spürte sofort, welche Beunruhigung das in ihr auslöste.

Und, waren Sie?

Nein, war ich nicht.

Nicht ein kleines bisschen an ihrer Zahnbürste gelutscht – oder wie kamen Sie auf dieses Ritual Ihres Serienkillers?

Ich suchte nach einem Fetisch, den übrigens viele Serientäter haben. Bei Kai Korthals ist es die Zahnbürste, bei der er das Gefühl hat, sich austauschen zu können, in den Mund der Frau und damit in ihren Intimbereich vordringen zu können.

Sie können einem Angst machen…

Ist das so? Dann hab’ ich ein schlechtes Gewissen. (Lacht.) Ich habe aber auch in Gesprächen mit vielen Frauen festgestellt, dass sie diesen Grusel durchaus faszinierend finden und sie mehr von ihm sehen wollen.

Das Gespräch führte

Astrid Kistner.

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