Einsame Menschen

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK „Unsichtbar“ überzeugt durch Spannung und schauspielerische Klasse

VON RUDOLF OGIERMANN

Pistole, Messer, die bloßen Hände – Mordwerkzeuge gibt es viele. Doch nichts regt die Fantasie mehr an als eine unsichtbare Waffe, nichts sorgt für mehr Spannung als ein Täter, der aus dem Off agiert und alles unter Kontrolle zu haben scheint. Die Macher von „Unsichtbar“, so auch der Titel dieser Episode, haben also alles richtig gemacht bei diesem Krimi über ein Stalkingopfer, dessen Schicksal auf geheimnisvolle Weise mit dem einer der beiden Kommissarinnen verbunden zu sein scheint.

Karin Hanczewski als Karin Gorniak und Anna Maria Mühe als Marta Marczynski tragen diesen ARD-„Tatort“ über den (Rache-)Feldzug einer zutiefst gekränkten Frau, die ihre Expertise als Wissenschaftlerin dazu nutzt, ihre Opfer auf perfide Weise umzubringen. An Sebastian Markas Film nach dem Drehbuch von Michael Comtesse (er schrieb auch schon die Folge „Die Zeit ist gekommen“) stimmt alles. Er schildert ohne allzu konstruierte Zufälle die Ermittlungen der Kriminalerin in eigener Sache, zeigt ohne die üblichen filmischen Stereotypen die (Ent-)Täuschungen auf dem Weg zur Aufklärung des Falles.

Sogar die medizinische Seite klingt sehr seriös. Lassen sich nicht durch praktisch nicht nachweisbare Nanobots, winzig kleine Teilchen, die die durch die Haut in den Körper eindringen und das Nervensystem angreifen, unerträgliche Schmerzen erzeugen und schließlich sogar der Herztod provozieren? Mit dem Grusel, die diese private biologische Kriegführung erzeugt, korrespondiert die beeindruckende Präsenz Mühes, die ihrer Figur eine geradezu gespenstische Aura verleiht. Ein einsamer Mensch, dessen stummer Schrei nach Liebe einem absoluten Vernichtungswillen Platz macht.

Dass Autor und Regisseur den Kriminalfall mit einer etwas melodramatischen Mutter-Sohn-Geschichte um Ermittlerin Gorniak verknüpfen (glaubwürdig Alessandro Schuster als Aaron, der buchstäblich mit seiner Rolle groß wurde), ist Geschmackssache. Das schmälert jedoch nicht die schauspielerische Klasse des gesamten Ensembles. Karin Hanczewski und Cornelia Gröschel sind in ihren Rollen ganz bei sich angekommen – Martin Brambach als Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel war sowieso von Anfang an über jeden Zweifel erhaben.

Die Dresdner „Tatorte“ gehören, nach einem Start mit mehr Schatten als Licht, inzwischen zu den besten Krimis der Reihe.

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