Günther Koch hat Handwerker bei sich. Im Garten soll das Grün zwischen den Steinen entfernt werden. Bei der Bezeichnung des Gerätes, das dabei verwendet wird, kommt der Mann ins Schwärmen – „Fadenmäher“. Es ist ein Wort für sein Oktavheft, das der frühere Lehrer stets bei sich trägt. Sprache ist für Koch eine sinnliche Angelegenheit. „Wenn ich einen neuen Ausdruck höre, dann schreibe ich mir das auf“, sagt er.
Wörter sind für Koch wichtig. Wie sollte es auch anders sein bei einem Sportreporter, der tausende Male im Radio zu hören war. Um 17.21 Uhr an einem für den 1. FC Nürnberg ganz düsteren 29. Mai 1999 sprach Koch aber ganz besondere Sätze, es sind legendäre Sätze. „Hallo, hier ist Nürnberg. Wir melden uns vom Abgrund“, sagte Koch in der längst ebenso legendären Bundesliga-Konferenz über den lange nicht für möglich gehaltenen Abstieg des „Club“ an einem dramatischen letzten Spieltag. Fünf Mannschaften waren damals noch abstiegsbedroht – der 1. FC Nürnberg galt als Zwölfter als eigentlich gerettet. „Zu 99 Prozent bleiben wir drin. Da müsste ja wirklich alles gegen uns laufen“, meinte der damalige Nürnberger Torwart und frühere Nationalkeeper Andreas Köpke.
Was soll man sagen? Irgendwie lief auch alles gegen den „Club“, der am Ende tatsächlich abstieg. Doch was Koch mit seinen Kollegen Dirk Schmitt in Frankfurt und Manni Breuckmann in Bochum damals ablieferte, war wie ein Blockbuster für die Ohren. „Ich war am Ende fix und fertig, weil ich niemals damit gerechnet hätte, dass dieser Nachmittag so einen Verlauf nimmt“, erinnerte sich Breuckmann.
Der FCN war immer gut für ein Drama. Koch, der am kommenden Montag seinen 80. Geburtstag feiert, weiß das wie kaum ein anderer. „Der Club ist furchtbar und schön zugleich, sodass ich sagen muss, er ist furchtbar schön. Er ist bewegend und bewegt, er ist ein Gedicht, das du nicht interpretieren kannst. Er ist so wie das Leben“, befindet der Mann, der von 2011 bis 2020 selbst im Aufsichtsrat des aktuellen Zweitligisten saß.
Sein Einstieg in den Journalismus war eine „märchenhafte Geschichte“, wie er sie selbst einmal nannte. Koch, der eigentlich Lehrer in Nürnberg war, kommentierte während der Jugendarbeit gerne mal Fußballspiele vermeintlich schwer erziehbarer Jungs. Eine seiner Töchter schlug dem Vater dann vor, sich doch mal als Sportreporter zu bewerben. Von Anfang 1977 bis Ende 2011 war er das dann auch. Am liebsten besprach Koch, der in Traunstein und in München aufwuchs, Spiele des 1. FC Nürnberg und galt daher auch als „Stimme Frankens“.
In seiner Anwesenheit geben sich Menschen auch besonders viel Mühe, deutlich und korrekt zu sprechen. „Ich als alter Lehrer ziehe sofort die Augenbrauen zusammen, wenn zum Beispiel einer ,gewunken‘ sagt. Das wird zwar leider zugelassen und du sagst: stinken, stank, gestunken, aber nicht winken, wank, gewunken“, sagt Koch. „Sie bemühen sich, und wenn sie einen Fehler machen, sagen sie: ,Günther, aber bitte nicht schimpfen, ich weiß schon, das ist schlechtes Deutsch.‘ Die Sprache ist mir fast so wichtig wie mein schwarzer Tee beim morgendlichen Frühstück.“
Koch hat nach eigener Erinnerung auch den Sammelbegriff für die Anhänger des fränkischen Traditionsvereins in Umlauf gebracht – „Clubberer“. „Ich war vielleicht nicht der Wortschöpfer, aber ich war der Erste, der es publik gemacht hat“, meint der FCN-Fan, der 2006 seine Tätigkeit als Sportreporter für den BR und für „Heute im Stadion“ nach fast drei Jahrzehnten beendete.
Seinem Herzensverein ist er immer treu geblieben. Es gibt ja auch nach der Biografie „Wir melden uns vom Abgrund“ noch einiges zu erzählen: „Da liegt noch etwas auf Halde, etwas sehr Heftiges, denn ich habe viel mehr zu sagen über den Club, über die SPD, über die Politik der CSU, über Bildungspolitik und über Pädagogik. Vielleicht kommt das noch.“
Der wichtigste Termin der Woche bleibt für ihn der private Kick am Montag – auch am Geburtstag. „Ich bin Woche für Woche da, das ist herrlich. Fehlen? Ja, spinnst du? Da fehle ich nie, es sei denn, ich bin verletzt“, betont Koch. Und wie sagte er am Ende seiner denkwürdigen Reportage, damals am 29. Mai 1999? „Ade, liebe Freunde. Es ist nicht zu fassen, was der Club seinem treuen Publikum zumutet. Liebe Clubberer, es tut mir leid, das musste nicht sein.“