Im Jahr 1983 veröffentlichte der „Stern“ die Hitler-Tagebücher. Nur Tage später war klar, dass das Magazin auf einen Fälscher hereingefallen war. Helmut Dietl griff den Skandal bereits 1992 in „Schtonk!“ satirisch auf. Nun hat RTL plus aus der Geschichte den amüsanten Sechsteiler „Faking Hitler“ produziert, der ab heute gestreamt werden kann. Wir sprachen mit Moritz Bleibtreu, der in die Rolle des Fälschers Konrad Kujau schlüpfte.
Sie waren zwölf, als der Skandal um die Hitler-Tagebücher die Medienlandschaft erschütterte. Haben Sie Erinnerungen?
Ja, ich erinnere mich. Meine Mutter fand das damals sehr amüsant. Als herauskam, dass es Fälschungen waren, meinte sie, das sei das Ende des „Stern“.
Hatten Sie Gelegenheit, einen der noch lebenden Zeitzeugen, etwa Gerd Heidemann, zu treffen?
Die Begegnung mit Leuten aus der Vergangenheit ist oft gar nicht so fruchtbar. Und wie alt ist der Heidemann – um die 90? Wahrscheinlich ist er ganz froh, wenn er die Geschichte endlich hinter sich weiß. (Lacht.) Nein, ich nehme mir gerne die Freiheit, das auch wie einen Filmstoff zu behandeln. Natürlich muss man dabei für die Figur und die realen Begebenheiten Sorge tragen, aber ich möchte auch die Möglichkeit haben, mich dramatisch darzustellen und eine Rolle zu interpretieren.
Sie spielen den Fälscher Konrad Kujau. Was war Ihnen an der Figur wichtig?
Mein Konnie ist jemand, der mit einer unglaublichen Begabung ausgestattet ist, gleichzeitig als Künstler aber nicht wirklich zu sich gefunden hat. Irgendwann hat er gelernt, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen – er imitiert mit ein paar Pinselstrichen jemand anderen und kann ganz gut davon leben.
Sie schwäbeln in der Serie. Wie schwer fiel Ihnen das?
Mir macht der Umgang mit Dialekten unheimlich viel Spaß. Als ich zum ersten Mal die Gespräche zwischen Kujau und Heidemann beim „Stern“-Podcast gehört habe, war klar, dass man das entweder komplett annehmen muss oder es ganz lässt. Wir wollten das ausprobieren. Tja, und dann versucht man das und nervt damit die Leute zu Hause. Aber mit ein bisschen Glück funktioniert es dann. (Lacht.)
Können Sie Heidemanns Faszination der Nazizeit nachvollziehen?
Ich kann es nicht. Mir ist jede Form von Ideologie, jede Form von Uniformierung völlig fremd. Das war in dieser Generation wahrscheinlich noch ein Festhalten an vermeintlich verlorener Größe. Und es existiert ja bis heute. Diese Devotionalien werden weiter gehandelt. Ich habe gerade gehört, dass Görings Jacht „Carin II“, die in „Faking Hitler“ eine Rolle spielt, bis heute existiert – sie liegt irgendwo in einem Hafen in Afrika und wird restauriert.
Die gefälschten Hitler-Tagebücher würde man heute „Fake“ nennen – ein geflügeltes Wort unserer Zeit für manipulativ eingesetzte Informationen. Wie verhindern Sie, dass Sie „Fake News“ aufsitzen?
Damals gab es ein Informationsmonopol, dem die Leute vertraut haben. Das, was in der Zeitung stand, hat man geglaubt, das war gut und richtig. Insofern markiert der damalige Skandal einen Wendepunkt, an dem die Menschen erstmals diesem Informationsmonopol misstrauten. Es erschien zuvor undenkbar, dass Journalisten ihre Quellen nicht überprüfen! Heute haben wir ein Zuviel an Informationen. Uns fehlt so etwas wie ein Mediator, irgendeine Institution, die uns Bürgern das Vertrauen zurückgibt. Bis dahin hilft gesunder Menschenverstand und Eigeninitiative, sich so vielseitig wie möglich zu informieren. Persönlich bin ich so erzogen worden, dass ich alles immer noch einmal hinterfrage. Nicht aus einem grundsätzlichen Misstrauen heraus, sondern um mir selbst ein Bild von Dingen zu machen.
Das Gespräch führte Katrin Basaran.