Es ist eine fast symbolische Szene – ausgerechnet bei der Entsorgung von Bauschutt wird im polnischen Grenzort Slubice gegenüber von Frankfurt/Oder die Leiche der Bauingenieurin Daniela Nowak gefunden. Die Ermittlungen führen Kriminalkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), der erstmals ohne seine langjährige Kollegin Olga Lenski (Maria Simon) auskommen muss, zu einer Baustelle nach Cottbus. Das Opfer arbeitete dort für Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf), der im Rahmen eines Großprojekts einen ganzen Häuserblock saniert. Doch ist er überhaupt der rechtmäßige Eigentümer der Immobilie?
Die „Polizeiruf“-Folge „Hermann“, die das Erste an diesem Sonntag um 20.15 Uhr zeigt, hat ein hochpolitisches Thema. Es geht um die (Nicht-)Rückgabe ehemaligen Besitzes an die Nachkommen der einst von den Nazis enteigneten und aus Deutschland vertriebenen Juden. Im Krimi erhebt Zvi Spielmann, verkörpert vom israelischen Schauspieler Dov Glickman, Anspruch auf den Gebäudekomplex, der einst seinem Vater gehörte.
Allgemein gelte die Restitutionspolitik der damaligen Bundesrepublik als „Erfolgsgeschichte“, während die von der SED dominierte ehemalige DDR „völlig versagt“ habe, heißt es dazu vom für die brandenburgischen „Polizeirufe“ verantwortlichen RBB. Während die BRD nach langen Verhandlungen ab 1952 insgesamt rund dreieinhalb Milliarden Mark an die Überlebenden der Schoah zahlte und auch die meisten Rückgabeverfahren früh abgeschlossen waren, verweigerte die DDR nicht nur jegliche Zahlungen an Israel, sondern auch sämtliche Restitutionen von geraubtem jüdischen Grund- und Immobilienbesitz.
Die Begründung ist an Zynismus kaum zu überbieten. Man argumentierte, die DDR sei ein neuer sozialistischer Staat, kein Nachfolgestaat des „Dritten Reiches“. Außerdem seien ja auch jüdische Besitzer von Immobilien in erster Linie Kapitalisten und damit Ausbeuter der Arbeiterklasse gewesen.
Beispielhaft dafür ist das Schicksal von Adalbert Frank, der vor dem Krieg an diversen Hotels auf der Insel Rügen beteiligt war. Nach seiner Rückkehr aus dem ungarischen Exil konnte er ein Objekt zurückkaufen und wurde in zwei seiner ehemaligen Etablissements als Treuhänder eingesetzt. Im Zuge einer Enteignungsaktion musste Frank dann aber erneut alles hergeben und wurde sogar wegen „Angriffs gegen das Volkseigentum“ zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Regisseur nach dem Buch von Mike Bäuml ist der Israeli Dror Zahavi, der schon mehrere „Tatorte“ drehte und dessen Mehrteiler „Ein Hauch von Amerika“ derzeit ebenfalls im Ersten zu sehen ist. „Im Film geht es nur äußerlich um Restitution“, sagt der 62-Jährige: „Eigentlich geht es in dem ,Polizeiruf‘ um Schuld und das Bedürfnis der Deutschen nach Versöhnung – und die Schwierigkeit der Generation des Holocaust, dies zu leisten.“ Er könne jeden verstehen, der um ein Haus im Wert von über einer Million Euro kämpft und darauf nicht einfach verzichtet, so Zahavi mit Blick auf den Investor – natürlich nur, wenn er die moralische Dimension außer Acht lasse.