(K)ein Trauerspiel

von Redaktion

INTERVIEW Jan Georg Schütte über seine neue ARD-Improvisationsserie „Das Begräbnis“

Vater, Ziehvater, Ex-Mann, Opa, Ehegatte, Freund und Chef eines Handwerksbetriebs – Wolf-Dieter Meurer hatte zu Lebzeiten viele Aufgaben. „Er war ein Kümmerer“, sagt seine Witwe. Jetzt ist er tot, und die Familie samt Anhang findet sich zur Trauerfeier in einem ostdeutschen Kaff ein. „Das Begräbnis“, so der Titel der neuen rabenschwarzen Improvisationsserie von Filmemacher Jan Georg Schütte, läuft aus dem Ruder. Es wird ums Erbe gestritten, gesoffen, geraucht, geweint, gelacht und sogar geschossen. Das alles geschieht ohne ausgefertigtes Drehbuch an nur zwei Drehtagen. Für dieses kreative Schauspielfest konnte Schütte ein großartiges Ensemble gewinnen – Charly Hübner, Martin Brambach, Anja Kling, Thomas Thieme, Devid Striesow und Claudia Michelsen sind nur einige der Stars, die „Das Begräbnis“ zum außergewöhnlichen Erlebnis machen. Die ARD zeigt die sechsteilige Serie ab heute jeweils dienstags um 22.50 Uhr und bietet alle Folgen komplett in der Mediathek. „Ein Glück“, wie Grimme-Preisträger Jan Georg Schütte (59) im Gespräch mit unserer Zeitung sagt.

In den vergangenen acht Jahren haben Sie eine Menge Erfahrung in Sachen Improvisation gesammelt. Was haben Sie seit „Altersglühen“ dazugelernt?

Ich probiere bei den verschiedenen Filmen und Serien aus, wie viel Führung und Eingriff die Improvisation verträgt – ohne den Schauspielern dieses Geschenk des freien Spiels zu nehmen. Dabei wird der Rahmen mal enger gesteckt wie bei „Für immer Sommer 90“ oder wie jetzt in „Das Begräbnis“ mit drei Motiven und einer Dauer von sechs Stunden durchgängigem Spiel sogar noch weiter gelassen. Ich scheue mich inzwischen auch nicht vor harten Eingriffen mitten im Spiel.

Wie sieht’s mit dem persönlichen Adrenalinspiegel aus?

Nach fünf Filmen und zwei Serien in den vergangenen Jahren spüre ich glücklicherweise, dass die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes kurz vorm Dreh deutlich kleiner geworden ist. Insbesondere durch mein tolles Mitarbeiterteam bei der Florida Film und das Vertrauen der ARD Degeto.

Nach „Kranitz – Bei Trennung Geld zurück“ verzichten Sie beim „Begräbnis“ auf den Kick, selbst mitzuspielen. Warum?

Nun ja, ich wollte eigentlich auch als Schauspieler in Erscheinung treten, aber in diesem Fall war das Ensemble mit 20 Schauspielern und der Aufwand von über 50 Kameras und vielen geplanten Eingriffen der Regie einfach so groß, dass ich als Regisseur voll ausgelastet war. Meine kleine Rolle als das Faktotum Heiko flog im Schnitt dann schon als Erstes raus. Der Typ wirkte aus unbestimmten Gründen etwas gehetzt. (Lacht.)

Worin liegt für Sie der Reiz in der Geschichte, die hinter dem „Begräbnis“ steckt?

Die Kombination von Tragödie und Komödie, das enorme Geschichtenpotenzial, was nun einmal eine Familie mit sich bringt, und nicht zuletzt die spannende Konfrontation von scheinbar lang vergangener DDR-Geschichte mit der heutigen Realität, die in diesem kleinen Ort so extrem deutlich wird und an so einem Tag, an dem man automatisch zurückblickt, unaufhaltsam nach oben drängt.

Die Spannung bei einer Impro-Serie liegt in der Unvorhersehbarkeit und dem Wissen, dass da kein Drehbuchautor an den Dialogen gedrechselt hat. Bisweilen geht das aber auf Kosten der Dramaturgie. Wie gut können Sie als Regisseur damit leben?

Ach, es gibt gerade im deutschen Fernsehen so wahnsinnig viele Filme und Serien, in denen mir jede Minute die Dramaturgie aufs Auge gedrückt wird, dass ich mit ein paar Leerstellen bei meinen Geschichten sehr gut leben kann. Es ist ja tatsächlich so, dass die Dramaturgie im wahren Leben auch oft verdammt schwer zu durchschauen ist.

Das Gespräch führte Astrid Kistner.

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