Der heimliche Held

von Redaktion

Schauspieler Hinnerk Schönemann löst zusammen mit Mariele Millowitsch seinen 30. „Marie Brand“-Fall

VON ASTRID KISTNER

Früher wollte er mal Rennfahrer werden. Heute steht ein Traktor in seiner Scheune. „Ist praktischer, wenn man einen Bauernhof hat“, sagt Hinnerk Schönemann. Mit seiner Familie lebt der Schauspieler in einem 50-Seelen-Dorf in seiner alten Heimat Mecklenburg-Vorpommern. Wenn er sie zum Drehen verlässt, dann immer mit großer Vorfreude auf seine Rückkehr. „Ich mag das Land, die Leute. Hier zu leben, ist ein Riesenglück.“ Seit 15 Jahren spielt der gebürtige Rostocker die Rolle des Hauptkommissars Jürgen Simmel an der Seite von Mariele Millowitsch (66) alias Marie Brand. Nach der Ermittlerin ist die quotenstarke ZDF-Reihe benannt, in der das Kölner Team morgen um 20.15 Uhr den 30. Fall löst.

Es steckt viel Tragik und ein ernster Hintergrund in der Jubiläumsepisode, in der es um Organspende, einen ermordeten Chefarzt, viel Trauer und Schmerz geht. Und doch gelingt es Brand und Simmel, das Schwere mit leichtem Humor zu würzen. Großartig sind die Szenen, in denen Schönemann sich als Kommissar in die hübsche Krankenschwester Hilli (wunderbar: Henriette Richter-Röhl) verguckt und dabei ziemlich unbeholfen über seine eigenen Gefühle stolpert. „Deswegen liebe ich den Simmel so“, sagt Schönemann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Er trägt als Polizist zwar ein Korsett, aus dem er sich nicht komplett befreien kann, aber innerhalb dieser Grenzen herrscht Anarchie.“

Nach all den Jahren spielt Schönemann ihn immer noch mit großer Lust an der Veränderung. „Simmel ist einer von uns“, sagt er. „Mit all seinen Fehlern.“ Er dürfe in jedes Fettnäpfchen treten und sich wieder herauswühlen. Sätze lässt Simmel gern unvollendet, und wenn er übers Ziel hinausschießt, entschuldigt er sich. Und weil keiner diesen liebenswerten Eigenbrötler so gut kennt wie Schönemann, lässt man dem Schauspieler bei der Interpretation seiner Rolle freie Hand.

Es gibt Kollegen, die würde das anstrengen. Das Improvisieren aber liegt dem 46-Jährigen, der in der ARD-Reihe „Nord bei Nordwest“ einen Tierarzt mit Kriminaler-Vergangenheit spielt und regelmäßig bis zu acht Millionen Zuschauer begeistert. Seine Figuren sind oft wortkarg, gelegentlich verhaltensauffällig und bisweilen unberechenbar. „Ich mag das“, sagt Schönemann, über den zuletzt geschrieben wurde, dass Verabredungen und Partys „der pure Stress“ für ihn seien.

Wie das mit einem so extrovertierten Beruf wie dem des Schauspielers zusammenpasst? „Ganz wunderbar“, lacht der Hobby-Landwirt. „Ich kann während der Arbeit alles rauslassen, was ich normalerweise nicht rauslasse, und privat bin ich halt ganz anders. Das ist wie ein Schalter, den ich zwischen Arbeit und Privatleben umlege“. Er habe es probiert. „Rote Teppiche, Smalltalk und so, aber das ist nix für mich.“ Auch Instagram, Twitter und Facebook interessierten ihn nicht. „Das würde mich komplett irre machen.“

Was nicht heißt, dass Schönemann nicht kommunikativ ist. Im Interview plaudert er unbefangen über seine Anfangszeit an der Schauspielschule („Die Ernst Busch war nix für mich. Ich mochte nicht, wie da mit den Schülern geredet wurde“), über seine Freundschaft mit Kollegin Mariele Millowitsch („Sie ist für mich nicht nur eine Freundin – sie gehört zur Familie“) und den Kölner „Tatort“ mit dem Titel „Franziska“, der Fans noch gut im Gedächtnis sein dürfte. Schönemann spielte 2013 einen inhaftierten Mörder und Vergewaltiger, der die Kollegin der Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk als Geisel nahm. Regisseur Dror Zahavi traf damals die richtige Entscheidung. „Wir saßen in dieser Gefängniszelle und er ließ mich einfach laufen. Er ließ mich so doll laufen, dass sie den Tatort am Ende erst um 22 Uhr zeigen durften“, sagt Schönemann nicht ohne Stolz. Schauspielerei, ergänzt er nach kurzem Nachdenken, müsse Spaß machen, überraschen, fordern – „sonst lässt man’s besser gleich“. Das aber wäre im Fall von Hinnerk Schönemann jammerschade.

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