Es war ein Megahit der Achtzigerjahre – und einer der größten Skandale in der Geschichte der deutschsprachigen Popmusik. Der vieldeutige Text von „Jeanny“ brachte viele Menschen auf die Barrikaden und Sänger Falco (1957 – 1998) den Vorwurf ein, dass sein Song Gewalt gegen Frauen verharmlose oder gar verherrliche. Fast 40 Jahre später haben sich Regisseur Andreas Kopriva und seine Drehbuchautoren von dem Hit zu einem Film inspirieren lassen. Die deutsch-österreichische Produktion „Jeanny – Das fünfte Mädchen“, zu sehen heute um 20.15 Uhr im Ersten, handelt von einer Schülerin, die eine Affäre mit einem deutlich älteren Mann beginnt, der aber womöglich ein gesuchter Frauenmörder ist.
Der Film spielt in der Gegenwart und nicht im Jahr 1985, als der Song, dessen Text eine Entführung und einen Mord an einem jungen Mädchen suggeriert, die Hitparaden stürmte. Nachwuchsschauspielerin Theresa Riess verkörpert die Abiturientin Jeanny – nicht etwa als Opfertyp, sondern als schlagfertige junge Frau aus der Kleinstadt Mödling nahe Wien. Dort sind schon vier Mädchen spurlos verschwunden, eine Bürgerwehr hat sich formiert, und die Polizei hegt Verdacht gegen den Steuerberater Johannes Bachmann (Manuel Rubey). Der verklemmte Single stalkt Jeanny, fotografiert sie beim Kauf eines Lippenstifts, ein klarer Verweis auf die Liedzeile: „Dein Lippenstift ist verwischt. Du hast ihn gekauft und ich habe es gesehen“.
Johannes erschleicht sich Jeannys Freundschaft und nimmt sie zu einem Liebeswochenende mit in sein Ferienhaus. Dort macht das Mädchen zwar einen verstörenden Fund, Bachmann wird sogar verhaftet, kommt jedoch wieder auf freien Fuß und kann ihr Vertrauen zurückgewinnen. Als dann ein weiteres Mädchen verschwindet, gilt er als Hauptverdächtiger und wird beinahe Opfer eines Lynchmordes, aber Jeanny hält zu ihm – ein Fehler?
Harter Stoff, das weiß auch Hauptdarstellerin Theresa Riess. „Der Skandal ist passé, aber das Thema Gewalt gegen Frauen ist leider noch immer hochaktuell“, sagt die 27-Jährige. Bedenken hinsichtlich der Story und ihrer Rolle darin habe sie keine gehabt. „Nicht zuletzt, weil die Jeanny aus dem Film im Gegensatz zu jener aus dem Song zu Wort kommt, handlungsfähig ist und ihre eigene Geschichte erzählt.“
Dass Manuel Rubey den Johannes Bachmann spielt, ist ein Coup. In der Filmbiografie „Falco – Verdammt, wir leben noch“ verkörperte der 42-Jährige im Jahr 2008 den international berühmten Popstar, dessen Song „Rock me Amadeus“ als einziges deutschsprachiges Lied den ersten Platz in den USA erreichte. Falcos „Jeanny“, dessen Melodie im Film mehrmals ertönt, wurde seinerzeit von mehreren Radiosendern, unter anderem dem Bayerischen Rundfunk, „aus ethischen Gründen“ boykottiert.
Die filmische Adaption greift die damalige Debatte darüber, was Kunst darf und was nicht, in einer Szene auf. Sie zeigt Johannes’ Bruder Aurelio Varesi (Martin Feifel), der wegen Mordes an einer jungen Frau lange im Gefängnis saß und die Bluttat nun in Kunstwerken verarbeitet. Bei einer Vernissage empört sich die Mutter eines der vermissten Mödlinger Mädchen: „Wie pervers und degeneriert muss eine Gesellschaft sein, um so etwas zu feiern?“