„Wir alle müssen das bezahlen“

von Redaktion

INTERVIEW ZDF-Meteorologe Özden Terli über die Klimakrise und die Klimapolitik

Hitze, Starkregen oder aktuell Sturm – nicht selten geht’s um neue Rekorde im täglichen Wetterbericht, der längst viel mehr ist als eine Prognose für die nächsten Tage. Vor allem, wenn beim ZDF Özden Terli Dienst hat. Der 51-jährige studierte Meteorologe, seit 2013 beim Mainzer Sender, thematisiert in seiner Wetterpräsentation in den Nachrichtenformaten von „Morgenmagazin“ bis „heute journal“ oft die Zusammenhänge zwischen Wetter und Klima. Der gebürtige Kölner ist auch auf Twitter aktiv, dort hat Terli viele Fans, wird aber auch schon mal als „Scharlatan“ oder „Propagandist“ beschimpft.

Früher hat man den Wetterbericht gesehen, um zu wissen, ob man am nächsten Tag einen Schirm braucht oder im T-Shirt auf die Straße gehen kann. Heute gibt’s dazu oft eine Lektion über den Klimawandel…

Weil wir in einer Klimakrise leben – mit Wetterphänomenen, die uns schon vor 30 Jahren oder vor noch längerer Zeit von Wissenschaftlern vorhergesagt wurden: Dass die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre zunehmen wird, dass die Temperaturen ansteigen werden, dass es immer mehr Extremwetterereignisse geben wird. Und genau das passiert gerade. Und weil Meteorologie die Physik der Atmosphäre ist, kann man den Klimawandel nicht vom Wetter trennen. Deshalb gibt es ab und zu mal eine – wie Sie sagen – Lektion darüber, weil die Zuschauer wissen sollten, warum die Dinge so sind, wie sie sind.

Wenn heute das Thema Klimawandel eine so große Rolle spielt in der Meteorologie, wurde es dann früher im Wetterbericht zu sehr vernachlässigt?

Wie die Situation in Deutschland war, dazu kann ich nichts sagen. In den USA hat die Ölindustrie die Klimawissenschaft lange Zeit torpediert – das ist wissenschaftshistorisch aufgearbeitet.

Wenn von der Einhaltung von Klimazielen die Rede ist, wird von Politikern, aber auch von den Medien immer wieder die Frage gestellt, wie Ärmere die immer höheren Energiepreise bezahlen sollen.

Natürlich brauchen die Ärmeren einen Ausgleich. Aber grundsätzlich muss man schon die Frage stellen: Was ist die Alternative? Wollen wir die Welt gegen die Wand fahren, weil die Politik in den vergangenen Jahren die notwendigen Schritte nicht gegangen ist? Oder wollen wir die Dinge so verändern, dass es allen dienlich ist?

Ist die Frage also nicht berechtigt?

Natürlich ist sie berechtigt. Ich will Ihnen aber auch eine weitere Antwort darauf geben: Nicht nur die Ärmeren, wir alle müssen das bezahlen, wenn sich nichts ändert, und zwar sehr teuer, auch im übertragenen Sinn. Wenn der Meeresspiegel steigt, wenn die Temperaturen steigen, werden Menschen sterben, viele andere werden fliehen und vor den Toren Europas stehen, in weit größerer Zahl als bisher. Diese Szenarien sind keine Science-Fiction, die werden real, wenn wir einfach einen „Weiter so“-Kurs fortsetzen.

Sie werden für Ihre Exkurse in die Klimapolitik auch angefeindet. Wie gehen Sie damit um?

Wenn man sich permanent mit den Veränderungen in der Atmosphäre und in der Kryosphäre der Erde beschäftigt –das ist alles, was mit Eis zu tun hat, mit schmelzenden Gletschern in der Antarktis beispielsweise –, dann muss man sich doch dazu äußern. Ich finde meine Exkurse in die Klimapolitik deshalb angemessen. Und wenn ich dafür angegriffen werde, dass ich die Fakten darstelle, dann ist das nicht mein Problem, sondern das Problem derjenigen, die mich angreifen.

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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