Unser Mann für Turin

von Redaktion

Malik Harris aus Landsberg am Lech kämpft um den Sieg beim deutschen ESC-Vorentscheid

VON KATRIN BASARAN

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ oder „Dabeisein ist alles“ – so oder so ähnlich ließe sich nahezu jedes Jahr Deutschlands Wettbewerbsenthusiasmus beim Eurovision Song Contest (ESC) beschreiben. Der vorletzte Platz vom vergangenen Jahr in Rotterdam schmerzt noch immer. Einer, der neuen Schwung ins musikalische Karussell bringen könnte, ist Malik Harris. Der 24-jährige Sänger aus Landsberg am Lech ist unter den sechs von einer Fachjury aus 944 Bewerbungen ausgewählten Acts, die sich am kommenden Freitag dem deutschen Vorentscheid stellen wollen. Anders als die beiden Jahre zuvor sind nun auch wieder die Fans gefragt, deren Online-Voting zur Hälfte mitentscheidet. Und das startet schon heute.

Malik Harris, der Hits wie „Say the Name“ und „Welcome to the Rumble“ ablieferte und schon mit James Blunt tourte, tritt mit seinem selbstgeschriebenen und -produzierten Song „Rockstars“ an. Sein bislang persönlichstes Musikstück, das ihm sehr am Herzen liegt, wie er unserer Zeitung erzählt. „Ich hatte vergangenes Jahr, inmitten der Pandemie, eine heftige Tiefphase“, gibt er zu. Nachvollziehbar, vor allem für aufstrebende Künstler wie ihn, die die Live-Bühne und das Publikum für sich und ihr Vorankommen brauchen – es ging ja nichts mehr.

„Ich neige dann aber dazu, schlechte Vibes zu verdrängen. In so einer Stimmung saß ich vorm Fernseher und habe meine liebste US-Serie ,The Office‘ gesehen.“ Ein „krasser Satz“ sei da gefallen, der sinngemäß lautet: „Ich wünschte, es gäbe einen Weg zu wissen, dass man sich in der guten alten Zeit befindet, bevor man sie verlassen hat.“ Malik erinnert sich: „Das hat mich umgehauen, ich musste sofort weinen. Dieser einzige Satz hat mir erklärt, was es mit meinem Tiefpunkt auf sich hat, nämlich dass ich zu viel Zeit in der Vergangenheit verbringe, in meiner Kindheit und Jugend, als alles noch so unbeschwert, einfach glücklich war. Dieses Gefühl ist bei mir durch das Erwachsenwerden verloren gegangen, zwischen dem Alltag und den Sorgen, sodass ich mich oft zurückwünsche in die gute alte Zeit.“

Dieser Satz also inspirierte den jungen Singer-Songwriter zu seinem Lied „Rockstars“, das zwar durchaus verletzlich, aber auch kraftvoll, drängend klingt und mit einem coolen Rapteil beeindruckt. „Ich wollte da auch etwas Gutes hineinpacken, aus dem man neue Stärke und Kraft ziehen kann“, erklärt Malik. Die zentrale Botschaft: „Man sollte nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt leben – auch in schlechten Zeiten. Dann endet nämlich auch die gute alte Zeit nie.“

Dass er mit „Rockstars“ beim ESC-Vorentscheid landen würde, hatte der Sohn von Moderator Ricky Harris beim Schreiben freilich nicht auf dem Zettel. Dafür aber Musiker-Kumpel Robin Karow, der Malik überreden musste, sich zu bewerben. „Ehrlich, der ESC war nie mein Kosmos, ich hätte daran auch nie gedacht – aber hey, warum nicht?“

Angst vor „zero Points“ hat der talentierte Künstler mit dem einzigartigen Timbre nicht: „Ich kann doch nur gewinnen – ich darf live vor einem riesigen Publikum spielen“, freut er sich. Und man glaubt es ihm sofort. „Vielleicht erreiche ich so neue Leute, denen „Rockstars“ gefällt, die sich damit identifizieren können und danach wissen: Ich bin mit meinen Gefühlen nicht allein. Ja, der Song, die Performance, das bin hundertprozentig ich. Und das Paket mag man – oder nicht.“

Nun schläft die Konkurrenz nicht, fünf weitere Acts wollen ebenfalls ein Ticket für Turin (siehe Kasten). Doch die Stimmung im Lager sei gut, erzählt Malik noch, die Ellenbogen blieben eingefahren, zu sehr überwiege bei allen die Freude, nach langer Zeit live auftreten zu dürfen. „Aber klar, ich bin competitive genug, dass ich gewinnen will“, lacht Malik, der sich dennoch keine Strategie zurechtgelegt hat. Wie immer wird er ganz allein auf der Bühne stehen – er mag es, reduziert und zugleich so nah und intim beim Zuhörer zu sein. „Das heißt, es geht am Klavier los, dann geht’s an die Drums, dann an die Gitarre, alles, während ich singe. Ich freu mich schon so krass, wirklich: Live diesen Song zu spielen – das kann nur gut werden.“

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