„Wir hinken Netflix hinterher“

von Redaktion

Was der neue HR-Chef Florian Hager mit seinem Sender und mit der ARD-Mediathek vorhat

Er baute das digitale Jugendangebot Funk von ARD und ZDF mit auf und modernisierte die ARD-Mediathek. Nun nimmt Florian Hager auf einem Intendantensessel Platz. – als einer der Jüngsten in der Geschichte des Senderverbundes. Als Nachfolger von Manfred Krupp, der in den Ruhestand geht, wird der 45-Jährige Chef des Hessischen Rundfunks (HR). Warum er weiterhin auch das große Ganze in der ARD nicht aus den Augen verlieren will, erzählt er im Interview.

Der ARD wird immer wieder vorgeworfen, dass sie auf aktuelle Nachrichtenlagen zu schwerfällig reagiert. Mit dem Ausbau des Nachrichtensenders Tagesschau 24 will man Breaking-News-Lagen besser in den Griff bekommen. Der Krieg in der Ukraine ist der erste Ernstfall. Ihr Eindruck?

Ich finde, dass der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk seit letztem Donnerstag auf allen Plattformen zu jeder Zeit seinem Auftrag absolut gerecht wird. Die Kolleginnen und Kollegen liefern richtig gute Qualität ab, um uns zu erklären, was dort Unfassbares passiert. Wir befinden uns eben auch in einem Informationskrieg, der vor allem über die Sozialen Medien geführt wird. In Situationen wie dieser zeigt es sich, wie wichtig es ist, eigene Informationsquellen am Ort des Geschehens zu haben und transparent zu machen, was wir nicht wissen oder nicht überprüfen können.

Lassen Sie uns auf Ihren Start als neuer Intendant des Hessischen Rundfunks schauen. Wie würden Sie für Menschen, die nicht in Hessen wohnen, den HR beschreiben? Uns fällt das Wetter, die Börse und der schräge Murot-„Tatort“ ein. Reicht das aus?

Die DNA der ARD und damit auch des HR ist die Regionalität. Wir verstehen uns als Medienhaus in und für Hessen und erreichen aktuell werktäglich 65 Prozent der Bevölkerung. Dabei spielen natürlich unsere Informationsangebote eine wichtige Rolle. Allen voran HR Info und die „Hessenschau“ als regionale Informationsmarke. Auch über die Landesgrenzen hinaus liefern wir einen sichtbaren Beitrag, unter anderem mit den von Ihnen erwähnten Schwerpunkten Wetter und Wirtschaft – zwei absolute Zukunftsthemen, die wir weiter ausbauen wollen.

In welcher Weise?

Bei der Wirtschaft wollen wir die Berichterstattung ausweiten von der Börse auf alle Felder bis hin zum Thema Nachhaltigkeit. Und beim Wetter von der konkreten Wettervorhersage bis hin zu einer konsequenten Sicht auf den Klimawandel – meteorologisch, wirtschaftlich und politisch.

Die ARD funktioniert manchmal wie die Bundesländer – beim Finanzausgleich beispielsweise. Finanzstärkere ARD-Häuser wie der Westdeutsche Rundfunk helfen dem Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen aus. Der HR ist in einer angespannten finanziellen Lage. Sollte der Sender nicht besser auch zur Gruppe gehören, die von anderen Häusern gestützt wird?

Das Ziel ist, den HR so aufzustellen, dass er auch über 2024 hinaus eigenständig und entwicklungsfähig bleibt. Dazu setzen wir auf Synergieeffekte innerhalb der ARD – gerade auch in programmfernen Bereichen und durch die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet. Darüber hinaus ist ein Ausbau von Einzelpartnerschaften bei konkreten Projekten wichtig. Die schon bestehenden Kooperationen mit dem SWR oder dem ZDF bei der Infrastruktur sind schöne Beispiele und sollen ausgebaut werden.

Sie engagieren sich stark für die ARD-Mediathek. Sind Sie auf Netflix neidisch?

Wir haben in der ARD erkannt, dass wir mit unserer Fixierung auf Sendeplätze in einem fortlaufenden Programm nicht mehr alle Menschen erreichen. Die komplexen Produktionsprozesse dahingehend weiterzuentwickeln, damit haben wir gerade erst angefangen. Weil Sie Netflix angesprochen haben – ich bin überzeugt davon, dass in der Plattformökonomie nicht mehr nur der Inhalt im Mittelpunkt steht, sondern auch die Bezüge wichtig sind. Und da reden wir von Daten. Deswegen ist in Zukunft neben dem Inhalt der Kontext mindestens genauso wertvoll, weil wir ohne diesen und ohne die entsprechenden Daten die Kundenbeziehung nicht langfristig aufbauen können. Da hinken wir Netflix hinterher, und da bin ich ein bisschen neidisch. Aber ich glaube, dass wir trotzdem einen Vorteil gegenüber diesen Plattformen haben, weil wir diesen Dreiklang spielen können von linearen Angeboten, die ja noch extrem erfolgreich sind, eigenen digitalen Angeboten und Präsenz auf Drittplattformen.

Datenschutz hat etwas mit Vertrauen zu tun…

Je mehr Personalisierung Sie wollen, desto mehr Daten müssen Sie preisgeben. Ich würde da gerne als öffentlich-rechtlicher Anbieter etwas selbstbewusster vorgehen. Wer, wenn nicht wir, geht sauber mit diesen Daten um? Wir legen datenschutzrechtlich ganz bewusst höchste Maßstäbe an uns selbst. Hier würde ich mir deshalb noch ein wenig mehr Freiheiten wünschen.

Das Gespräch führten Anna Ringle und Sven Gösmann.

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