Der Wahnsinn um unser Wasser

von Redaktion

INTERVIEW Daniel Harrich über seinen ARD-Film und das Geschäft mit der wichtigsten Ressource

Er ist der Mann für den investigativen Spielfilm in Deutschland. Daniel Harrich brachte mit „Der blinde Fleck“ (2013) die Bundesanwaltschaft dazu, die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 wieder aufzunehmen. Er hat mit „Meister des Todes“ (2015) illegale Waffenexporte nach Mexiko und Kolumbien aufgedeckt und zwei Jahre später die Verstrickungen westlicher Geheimdienste in Terroranschläge („Saat des Terrors“). Der 38-jährige Münchner schreckt vor großen Themen also nicht zurück. Sein neues Werk beschäftigt sich mit unserem Wasser, dass längst nicht mehr so selbstverständlich aus dem Hahn kommt, wie wir glauben. Was das für dramatische Folgen haben kann, zeigt der Film „Bis zum letzten Tropfen“, der heute im Ersten läuft. Wir sprachen mit Harrich über die Situation in Deutschland.

In Ihrem Film steht ein (fiktives) Dorf in Baden-Württemberg eines Tages ohne Wasser da. Horrorszenario oder realistisch?

Wir haben bisher unveröffentlichte Daten aus einer NASA-Mission, die zeigen: Deutschland ist einer der Hotspots für Wasserverlust weltweit. Und der Trend ist radikal schlecht. Deutschland verliert 2,5 Gigatonnen Wasser im Jahr. Das bedeutet: Wir stecken mittendrin in einer Wasserkrise.

Also sitzen wir irgendwann buchstäblich auf dem Trockenen?

Eine flächendeckende Wasserknappheit in Deutschland oder gar einen Notstand wird es wahrscheinlich nie geben. Regionale Engpässe aber durchaus. Vor etwa zehn Jahren hatte Norditalien – das reiche Norditalien! – echte Wasserversorgungsprobleme. Man musste mancherorts Regenwasser zum Duschen verwenden. Seitdem kommen die Einschläge immer näher. Ende vergangenen Jahres war Kaufbeuren für ein paar Stunden ohne Wasser. Eine Situation, die man sich eigentlich nicht hat vorstellen können.

Wie konnte es so weit kommen?

Das hat mit dem Klimawandel zu tun, der letztlich vor allem steht: also die Verschiebung der Niederschlagsverhältnisse, die wärmeren Winter, die weniger gefüllten Schneespeicher in den Alpen, die Verhärtung der Böden und so weiter. Es hängt alles miteinander zusammen, und im Ergebnis sinken die Grundwasserstände dramatisch. Die Situation ist eindeutig, aber – man muss es so deutlich sagen – die Politik pennt. Und sitzt wie ein Kaninchen vor der Schlange, ängstlich, etwas zu tun. Dabei ist die Lage todernst.

Warum reagiert die Politik nicht?

Das wird zum einen damit zu tun haben, dass es sich um langwierige und unbequeme Prozesse handelt. Zum Zweiten: Man findet immer eine Ausrede, etwas nicht anzupacken. Corona, Ukraine – das sind alles Krisen, die angepackt und gelöst werden müssen, natürlich. Aber man darf das große Problem der Wasserversorgung darüber nicht ignorieren.

Zumal droht, dass Wasser als Folge der Verknappung zur Handelsware wird, zum Spekulationsobjekt. Davon erzählt Ihr Film ja auch. Die Kleinstadt dort will ihr Tiefengrundwasser an einen internationalen Sprudel-Konzern verkaufen – in der Hoffnung, dass das die Situation entschärft.

So ist es. Während die Politik schläft, ist die Wirtschaft nämlich längst aufgewacht und will sich für die nächsten Jahrzehnte wichtige Wasserrechte sichern. Es gibt geradezu einen Run auf kommerzielle Wasserentnahme-Genehmigungen. All die großen kommerziellen Player stehen Schlange und wollen an Wasserrechte kommen. Die wissen, dass wir in Zukunft ein großes Problem haben, und wollen auf Nummer sicher gehen – oder sogar an der Krise verdienen. Die Folge für uns Bürgerinnen und Bürger könnte sein: Wir müssten astronomische Summen für unser Wasser zahlen.

Laut den Vereinten Nationen ist der Zugang zu sauberem Wasser ein Menschenrecht. Wasser darf eigentlich gar keine Handelsware sein.

Ja, aber man hat es dazu gemacht. Denn die Regionen entscheiden selbst über die Vergabe – und die Verantwortlichen bedenken natürlich auch ihre Interessen. Wenn sich große Firmen niederlassen, gibt es Arbeitsplätze, die Firmen zahlen Gewerbesteuer und machen die Regionen auf den ersten Blick attraktiv. Aber der Preis, den alle am Ende zahlen, ist hoch.

Das Gespräch führte Stefanie Thyssen.

„Bis zum letzten Tropfen“

läuft heute um 20.15 Uhr im Ersten, anschließend gibt es eine Doku zum Thema.

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