Er verkörpere „in herausragender Weise den modernen Humor einer jungen, großstädtischen Bevölkerung“, urteilte die Jury des renommierten Deutschen Kleinkunstpreises über Till Reiners. Nicht die erste Auszeichnung für den 37-Jährigen, der einst als Poetry Slammer begann. Mittlerweile tourt Reiners, wenn nicht gerade Corona ist, mit seinen Programmen – sein aktuelles heißt „Flamingos am Kotti“ – durch ganz Deutschland und ist Stammgast bei Satiresendungen wie „Die Anstalt“ und „heute show“ (beide ZDF). Am kommenden Sonntag um 20.15 Uhr moderiert der Wahl-Berliner erstmals das 3sat-Format „Happy Hour“
Aus „Pufpaffs Happy Hour“ wird „Till Reiners’ Happy Hour“. Was ändert sich außer dem Namen?
Der Moderator.
Und sonst?
Ich glaube, ich bringe einen etwas anderen Stil mit. Und ich versuche, mehr junge Leute einzuladen, vor allem aus der Berliner Stand Up-Szene.
Sie treten gegen den „Tatort“ an.
Das ist ein Gegner auf Augenhöhe. (Lacht.)
Jetzt herrscht Krieg in der Ukraine, und im deutschen Fernsehen läuft Comedy. Wie fühlen Sie sich dabei?
Man muss das mitdenken. Und dem Publikum klarmachen, dass man kein verrückter Clown ist, der nur sein Programm abspult. Ihm bedeuten, dass das alles ganz schrecklich ist, es hier aber eine Dreiviertelstunde Ablenkung gibt. Das ist ein Angebot, das die Leute annehmen können. Oder sagen: „Darauf habe ich jetzt keinen Bock.“
„Frieden schaffen ohne Waffen“ ist ja momentan ein bisschen out. Wie finden Sie, dass jetzt sogar die Grünen für Aufrüstung sind?
Ich bin immer dann skeptisch, wenn alle dasselbe wollen. Da würde ich gerne sagen: Können wir da erst mal einen Moment drüber reden? Ich kann verstehen, dass man anfängt, hier die Panzer nachzuzählen, wenn man sieht, dass die Ukraine brennt. Aber mich erstaunt, dass da gleich so ’ne runde Summe genannt wird.
Sie meinen die 100 Milliarden Euro?
Ja. Das ist so ’ne Fantasiezahl. Sollte man nicht erst mal überlegen, was man braucht und dann zusammenrechnen, was es kostet? Das ist schon ein bisschen dreist, dass man in zwei, drei Tagen entscheidet, so viel Geld auszugeben, während Menschen in den Kliniken seit zwei Jahren dafür kämpfen, anständig bezahlt zu werden in einer Pandemie.
Was beschäftigt Sie außerdem in der Politik?
Ich bin gespannt, wo es hingeht in Sachen Klimaschutz. Ob da in Berlin wirklich gedacht wird: Okay, wir versuchen es! Vielleicht wirken sich die Sanktionen gegen Russland ja positiv aus. Ich finde es spannend zu beobachten, wohin sich die Ampel entwickelt. Ist das jetzt ’ne linke Regierung, ’ne Weiter-so-Regierung? Was ist das eigentlich für ’ne Regierung? Die scheinen ja noch sehr in der Selbstfindungsphase zu sein.
Einst hieß es, Kohl sei ein Kanzler fürs Kabarett, später wurde das über Schröder gesagt, dann über Merkel. Was ist mit Scholz?
Wenn man Lust hat, sich mit Personen zu beschäftigen, ist er auf jeden Fall ein Kanzler fürs Kabarett. Ich war doch erstaunt, wie viel ich mich selbst mit Scholz beschäftige, weil er mich so aufregt mit seiner Nicht-Ambition, auf Fragen zu antworten. Ansonsten gehöre ich nicht zu denen, die ihn nachmachen. Ich kann das gar nicht. Wenn ich über Politik rede, will ich eher erklären, wie sie funktioniert. Die Dinge einordnen.
Gelegentlich geraten sogar Kabarettisten in einen Shitstorm. Ist Ihnen das auch schon passiert?
Zum Glück noch nicht. Aber das wird kommen.
Jetzt, mit der Moderation der „Happy Hour“?
Grundsätzlich! Je länger man dabei ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit. Irgendwann kriegt man dann auch mal einen. Das gehört zum Beruf dazu.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.