Die Perücken sind frisch gepudert, die Backenbärte gestutzt und die Juwelen aufpoliert. Die Ballsaison ist eröffnet! Und ähnlich dringend, wie man am Londoner Hofe von Königin Charlotte zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die kommentierende Klatschpostille der geheimnisvollen Lady Whistledown wartete, sehnten die Fans von „Bridgerton“ die zweite Staffel herbei. Mehr als ein Jahr mussten sich Netflix-Abonnenten gedulden, seit Freitag sind acht neue Folgen streambar. Aber – hat sich das Warten auch gelohnt? Unsere Zeitung hat in die neuen Folgen schon hineingeschaut.
Die schlechte Nachricht vorweg – der schneidige, schwerreiche und umwerfend heiße Simon Duke of Hastings (Regé-Jean Page) ist kein einziges Mal zu sehen. Die Liebesgeschichte zwischen ihm und Daphne (Phoebe Dynevor), älteste Tochter der Hochadelsfamilie Bridgerton, stand im Fokus der ersten Staffel. Sie endete mit Hochzeit und Geburt des ersten Kindes. Kein Zweifel, der Verlust der Figur, deren Abwesenheit mit Familienangelegenheiten, begründet wird, wiegt schwer. Doch ist sie erstaunlich schnell vergessen, denn die Serie weiß mit ausreichend attraktivem Personal zu glänzen.
Großen Anteil daran hat Familie Bridgerton, die mit insgesamt acht äußerst ansehnlichen Kindern gesegnet ist, die übrigens, kleiner Funfact am Rande, dem Alphabet nach benannt wurden – Anthony, Benedict, Colin, Daphne, Eloise, Francesca, Gregory und Hyacinth. Nach der liebreizenden Daphne soll nun Freigeist Eloise (Claudia Jessie) auf dem Heiratsmarkt der neuen Ballsaison punkten. Wozu sie sichtbar keine Lust hat, was sie auch sehr deutlich artikuliert.
„Ich sehe aus wie ein Kalb vor der Versteigerung“, kommentiert sie etwa ihr Outfit für die Einführung in die feine Londoner Hofgesellschaft. Sie ist genervt von den Zwängen jener Zeit, die Frauen nicht nur ins Korsett, sondern zur Versorgung in die Ehe zwingen. Eigenständigkeit und Frauenrechte sind Eloises Themen, Intrigen, Tüll und Tränen eher nicht.
Pikant wird die Geschichte, weil sich plötzlich ihr ältester Bruder Anthony (Jonathan Bailey), nach dem Tod des Vaters Viscount Bridgerton und damit Patriarch des Clans, nach einer angemessenen Frau umsieht. Nicht aus Liebe, aus Verantwortung heraus – ja, auch die Männer damals, so wird gezeigt, mussten Opfer bringen.
Der im Vergleich zu Staffel eins optisch gebändigte, doch weiterhin vor Testosteron berstende Schürzenjäger umwirbt das von Königin Charlotte frisch gekürte „Juwel der Saison“, eine besonders anmutige Dame – Edwina Sharma (Charithra Chandran) aus Indien. Doch die hat eine Schwester Kate (Simone Ashley), ebenso schön, klug, zielstrebig, mit 26 bereits eine „alte Jungfer“ und mit einem Standesmakel behaftet. Sie will ihrer kleinen Schwester zu einer Liebesheirat verhelfen. Anthony hat da aufgrund von Ruf und Ambitionen eher schlechte Karten. Es sprühen die Funken zwischen ihm und Kate – es ist jedoch eher ein Tanz auf dem Vulkan. Worin der gipfelt, ob die oder der Widerspenstige gezähmt wird? Auch „Stolz und Vorurteil“ lassen kräftig grüßen.
All das wird scharfzüngig von eingangs erwähnter Lady Whistledown kommentiert. Während die Zuschauer wissen, wer sie ist, tappt das London der Regency-Ära noch im Dunkeln. Die Königin (Golda Rosheuvel) will sie unbedingt entlarven. Gewürzt mit pfiffigen Dialogen, gelegentlichem Tiefgang, fiesen Intrigen (wo bleibt eigentlich die Solidarität unter Frauen?), der historisch unkorrekten Diversität samt schwarzer Königin und schwelgender Opulenz in Pastell prophezeien wir auch den neuen Serienteilen Erfolg. Und da die Bridgertons noch sechs weitere Kinder haben, dürfte das Material für die nächsten Staffeln gesichert sein. KATRIN BASARAN