Was ist Demokratie?

von Redaktion

INTERVIEW Der Münchner Kabarettist Sven Kemmler über sein neues Programm „Paradise Lost“

Die Programme des Autors und Kabarettisten Sven Kemmler sind stets gespickt mit gründlich recherchierten Inhalten. Diesmal nahm er sich John Miltons 1667 veröffentlichtes episches Gedicht „Paradise Lost“ vor, um der wichtigen Frage nachzugehen, wie es um unsere Demokratie steht und was Demokratie eigentlich ist. Dazu wagt der 53-jährige Münchner auch einen Blick über den Großen Teich Wir sprachen mit Kemmler, der heute um 20 Uhr im Lustspielhaus Premiere feiert.

Inwiefern bezieht sich Ihr Programm auf John Miltons Buch „Paradise Lost“?

Ich mochte grundsätzlich erst einmal den Titel. Dann dachte ich, dass ich, wenn ich ihn schon verwende, nachlesen sollte, worum es sich da im Detail handelt. Ich mochte, dass es damals durchaus auch politisch gedacht war und sich ums Eck schon mit Demokratie befasste. Dann mochte ich dieses Bild vom Fall des Engels. Das ist auch ein schönes Bild für den Inhalt meines Programms. Jeder hat so das Gefühl, dass es bergab geht mit der Demokratie. Und man hat so ein heiliges Bild von dem, was sie mal war oder sein sollte. Beim weiteren Recherchieren bekam ich dann den Eindruck, dass es dieses Paradies in dem Sinne noch gar nicht gegeben hat. Mir gefiel auch die Frage, was man nun betrauert, den Engel oder den Teufel.

Das hängt dann vom Blickwinkel ab.

Ich habe viel gelesen darüber, wie andere den Westen sehen. Ein Teil des Programms behandelt ganz speziell die USA, weil es die älteste Demokratie ist. Außerdem ist es ein wenig das Land, von dem wir unsere Demokratie haben – vereinfacht ausgedrückt. Und selbst sehen sie sich als die Hüter der Demokratie. Andere Länder betrachten die Demokratie freilich anders. Für manche ist es zum Beispiel ein Kampfbegriff.

Inwiefern?

Wenn zum Beispiel jemand aus dem Westen sagt: „Schau mal, das ist ja gar keine Demokratie“, dann kommen, wenn es dumm läuft, bald Bomben. In Libyen etwa. Aber es gab unter Gaddafi einen höheren Bildungsgrad, und man fand Frauen in Universitäten und höheren Positionen. Auf jeden Fall war es besser als danach. Jetzt ist dort Chaos. In Afghanistan läuft es ähnlich.

Ist also Demokratie nicht gleich Glück?

Nicht unbedingt, wird aber gerne so gesehen. Es gibt interessante Konnotationen. Für viele ist Demokratie gleichbedeutend mit Freiheit. Im Paket mit inbegriffen ist freilich auch die Marktwirtschaft, also ein kapitalistisches System. Gerade für die Amerikaner geht das nicht anders in einem demokratischen Land. Staaten, die es trotzdem anders versucht haben, bekamen sofort einen auf den Deckel. Auch wenn sie demokratisch gewählt hatten. Dabei steht nirgendwo, dass Demokratie gleichbedeutend mit freier Marktwirtschaft ist.

Wie kommt das jetzt alles auf die Bühne?

Ich bin selbst gespannt. Es wird durchaus experimentell, weil ich Dinge mache, die ich vorher nie gemacht habe. Das braucht es allerdings, denn es ist ja fast nicht mehr möglich, die Situation satirisch zu betrachten. Man kann Donald Trump nicht ins Absurde führen. Ich picke mir also ein paar Absurditäten heraus. Vieles ist ja schon komisch, wenn man es ganz nüchtern beschreibt. Und wenn es zu nüchtern wird, tanze ich einen Square Dance dazu. Das Programm soll ja unterhaltsam werden. Daher gibt es Gedichte, Geschichten, eine Talkshow, natürlich Werbung, und ich werde vielleicht singen.

Kann man sagen, dass Menschen, die Ihr Programm gesehen haben, dann bessere Demokraten sind?

(Grinst.) Bestimmt. Falls alle auf mich hören, was noch nie passiert ist. Im besten Falle bekommt man ein bisschen geistiges Werkzeug, um eine bessere Demokratie zu basteln. Den Rest muss man aber selbst machen. Die Wohnung ist ja auch nicht renoviert, nur weil man gerade aus dem Baumarkt kommt.

Das Gespräch führte Antonio Seidemann.

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