Sie liebt den großen Auftritt und wird doch klein mit Hut, wenn ihr Chef ihr wieder einen Verstoß gegen die Dienstvorschriften nachweist. Keine Frage, diese Hermine Grill ist alles andere als eine klassische Ermittlerin. Aber was ist schon klassisch in diesem Krimi um einen Privatdetektiv (Michael Ostrowski) und eine Ex-Polizistin (Marie Leuenberger), die in der Traumkulisse der Stadt am Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz Fälle lösen? „Zu jung zu sterben“ heißt ihr nächster „Krimi aus Passau“, zu sehen heute um 20.15 Uhr im Ersten.
„Karikatur“, dieses Wort möchte Xenia Tiling im Zusammenhang mit ihrer Kommissarinnenrolle nicht hören. „Natürlich macht es Spaß, diese Figur ein bisschen zu überzeichnen“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung, „trotzdem möchte ich, dass man mit ihr mitgeht.“ Die Hermine zu spielen sei „eine Gratwanderung“. Eine Art Steckbrief hat die 39-Jährige, die als Tati in „Servus Baby“ einem größeren Fernsehpublikum bekannt wurde, sofort parat. „Die ist so ’n bisschen aus der Zeit gefallen, ähnlich wie ihr Vorname“, außerdem sei sie „sehr überzeugt von ihren Fähigkeiten“, dabei aber „spaßbefreit“.
Man spürt die Energie, die Tiling in diese Kommissarin Grill investiert hat, obwohl sie es – durchs Drehbuch bedingt – schwer hat, sich gegen die beiden zentralen Figuren Frederike Bader (Leuenberger) und Ferdinand Zankl (Ostrowski) zu behaupten. Sie hat sich hineingeworfen in die Arbeit und sich dabei nicht gefragt, ob das Projekt „Krimi aus Passau“ eine Zukunft hat. Scheint es aber zu haben, der fünfte Film ist in Arbeit ist.
Es läuft ganz gut für die gebürtige Hamburgerin, die in Gmund am Tegernsee lebt – gerade ist die dritte „Servus Baby“-Staffel abgedreht worden. Hier ist Tilings Rolle eine viel zentralere, sie ist eine der vier (nicht mehr ganz) jungen Münchnerinnen, die permanent vor der Frage stehen, ob sie den Partner fürs Leben schon gefunden haben – oder noch nicht. „Eigentlich sind jetzt alle im Thema Familie angekommen“, fasst die Schauspielerin die Handlung zusammen.
Eine sehr realistisch wirkende Lebenssituation, die man gar nicht spielen muss, oder? „Das stimmt schon, wir sind alle in dem Alter, wo so etwas gerade stattfindet oder um uns herum passiert, und die Mädels stellen sich Fragen, die wir uns auch privat stellen.“ Mit dem Unterschied, dass bei „Servus Baby“ halt doch alles immer ein bisschen ist wie im Film. Pointierte Dialoge inklusive. Neid auf die Mitspielerinnen sei da ein Fremdwort, beteuert Tiling. „wir geben sehr gut aufeinander Acht. Und wir wissen: Wenn die andere gut ist, nützt mir das auch.“
Die große Harmonie sei kein Zufall, „Natalie Spinell hat so lange gecastet, bis sie die für sie perfekte Vierergruppe gefunden hatte. Im Vorfeld der ersten Folgen haben wir uns wahnsinnig oft getroffen und geprobt und uns dadurch einfach sehr gut kennengelernt.“ Eine luxuriöse Situation sei das gewesen, „die mir anderswo auch nie mehr begegnet ist“.
Die Drehzeiten würden im Gegenteil immer knapper: „Es muss immer zack-zack gehen, es ist kaum noch Zeit, Dinge zu besprechen oder zu proben.“ Momente, in denen Xenia Tiling Sehnsucht nach dem Theater bekommt: „Da ist Scheitern erlaubt, da darf man mutig sein in dem, was man anbietet, und sich auch mal abseits dessen bewegen, von dem man weiß: Das funktioniert eh.“ Die Liste der Klassiker ist schon recht lang, in denen Tiling im Volkstheater auf der Bühne stand – „Don Carlos“, „Dreigroschenoper“, „Drei Schwestern“, „Kasimir und Karoline“. Natürlich würde sie auch am neuen Standort im Schlachthofviertel gerne mal spielen, andererseits „mache ich das ja noch nicht so lange mit dem Drehen und habe das Gefühl, dass da noch Potenzial drinsteckt.“
Das klingt nach Lust auf viele weitere spannende Rollen, weit entfernt von der „Servus Baby“-Tati und der schrillen Hermine Grill im „Krimi aus Passau“. Es dürfen gerne viele Gratwanderungen dabei sein.