Auf der Party, bei der Arbeit, in den Nachrichten: Wenn es um Politik und Wirtschaft geht, sind die Fachbegriffe nicht fern. Wer nachfragt, outet sich als unwissend – peinlich. Dann lieber bedeutungsvoll nicken. Wie war das noch mal mit Schuldenbremse und Schattenkabinett? Marietta Slomka – als Moderatorin beim ZDF-„heute journal“ eine der bekanntesten Nachrichtenjournalistinnen Deutschlands – legt jetzt eine Art Nachschlagewerk für den Polit- und Medienbetrieb vor.
Sie erklärt jede Menge Grundbegriffe und Zusammenhänge in Politik, Wirtschaft und Medien sowie das Wesen der Demokratie. „Das ist kein reines Jugendbuch. Aber ich hatte schon junge Menschen im Kopf, die sich für Politik interessieren“, sagt Slomka. In dem Sachbuch „Nachts im Kanzleramt: Alles, was man schon immer über Politik wissen wollte“, das von Mario Lars illustriert worden ist, arbeitet Slomka auch mit Ironie. Das Buch ist in einem lockeren Ton verfasst. Im Vorwort schreibt die 52-Jährige: „In der Politik leben seltsame Wesen, sie sind nachtaktiv wie Fledermäuse. Nachts im Kanzleramt ist manchmal genauso viel los wie in Berliner Klubs. Doch die politischen Fledermäuse hängen tagsüber nicht schlafend in ihren Höhlen, sondern tauchen schon frühmorgens wieder in den Morgenmagazinen der Fernsehsender auf und abends im ,heute journal’.“
Im Buch gibt es sechs Kapitel, die zum Beispiel „Was mit Medien“: Politik und Journalismus oder Demokratie: Hurra, wir sind die Mehrheit! heißen. So ähnlich wie in einem Nachschlagewerk werden Begriffe erklärt und mit Anekdoten angereichert. Es geht zum Beispiel um die Sitzordnung. Slomka schreibt: „In den hinteren Reihen des Bundestags gibt es nur einfache Stühle – ohne Tische. Und die TV-Kameras sind auch weit weg. Das ist nicht die Businessclass des Parlaments. Manchmal setzen sich aber sogar Bundeskanzler bewusst dorthin, um unbeobachtet ein vertrauliches Gespräch zu führen. Wer dort praktisch immer sitzt, steht in der Hackordnung seiner Fraktion eher unten.“
Solche Details gibt es an vielen Stellen im Buch. Der Leser erfährt von einer verborgenen Treppe hinter einer Bücherwand im Arbeitszimmer im Kanzleramt, die direkt zum Kanzlerapartment führe. Dass Polizisten, die weiße Lederjacken tragen und in einer Motorradstaffel vor Limousinen mit Staatsgästen fahren, „weiße Mäuse“ genannt würden. Im Medienteil greift Slomka auch ihr legendäres Interview im „heute journal“ vor fast zehn Jahren mit dem damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel auf. Damals hatte es zwischen den beiden einen außergewöhnlichen Schlagabtausch gegeben. Slomka gilt bei vielen als gefürchtete Fragestellerin, so entstand auch die Redewendung „geslomkat werden“.
Warum sie das Sachbuch geschrieben hat, erläutert die Nachrichtenfrau in ihrem Nachwort: Vieles, was sie lange für selbstverständlich gehalten habe, sei es gar nicht unbedingt. „Als es in den Vereinigten Staaten Anfang 2021 den gewalttätigen Sturm aufs Kapitol gab, das US-Parlament, war ich fassungslos, während ich in unserer Sendung live darüber berichtete. Fassungslos, dass eine der ältesten Demokratien der Welt von innen heraus so angegriffen wird.“ Das Erschrecken darüber treibe sie bis heute um. „Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.“ Demokratie sei kein Selbstläufer.