In der Corona-Zeit gehörte Netflix zum Gewinner der Krise – die Menschen waren viel daheim und verbrachten die Zeit nicht selten vor dem Fernseher. Doch nun steckt das Unternehmen selbst in der Krise. Zum ersten Mal seit 2011 sinken die Nutzerzahlen – und der Abwärtstrend dürfte sich noch verstärken. Wir fassen das Wichtigste zusammen:
Die Zahlen: In den drei Monaten bis Ende März gingen unterm Strich rund 200 000 Bezahlabos verloren. Insgesamt sank die weltweite Nutzerzahl zum Quartalsende auf 221,6 Millionen. Eigentlich hatte Netflix mit 2,5 Millionen neuen Kunden gerechnet. Auch beim Gewinn musste Netflix im abgelaufenen Quartal Abstriche machen. Der Überschuss sank gegenüber dem Vorjahreswert um etwa sechs Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar (1,5 Mrd. Euro). Der Umsatz legte zwar um rund zehn Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar zu, verfehlte die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten aber dennoch knapp.
Die Reaktionen: Anleger reagierten enttäuscht – die Aktie geriet heftig unter Druck und lag zeitweise mit über 25 Prozent im Minus. Seit Jahresbeginn ist der Kurs bereits um 40 Prozent gefallen.
Die Gründe für den Absturz: Netflix selbst machte unter anderem den Rückzug aus Russland für die schwachen Zahlen verantwortlich, wo sämtliche Kundenkonten wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine deaktiviert wurden. Dem Unternehmen nach fielen wegen der Maßnahme auf Quartalssicht rund 700 000 Abos weg. Außerdem sind Netflix Trittbrettfahrer ein Dorn im Auge. Das Unternehmen schätzt, dass rund 100 Millionen Haushalte weltweit den Streaming-Service nutzen, ohne zu zahlen. Dagegen will man vorgehen: „Wenn Sie eine Schwester haben, die in einer anderen Stadt lebt und Ihr Netflix-Abo mit ihr teilen wollen, ist das super“, sagte Produktchef Greg Peters. „Aber wir werden Sie bitten, dafür etwas mehr zu bezahlen.“ Netflix kann zum Beispiel anhand der IP-Adressen feststellen, von wo Nutzer auf den Dienst zugreifen. Bis das System laufe, könne es aber noch ein Jahr dauern, sagte Peters.
Der Analyst Rob Enderle nannte einen weiteren Grund für den Rückgang der Abonnentenzahl: die Inflation. „Die Leute beginnen, auf ihr Geld zu schauen.“ Netflix indes geht angesichts der stärker werdenden Streaming-Konkurrenz davon aus, auch im laufenden Vierteljahr Abonnenten zu verlieren. Und diesmal dürfte das Minus mit rund zwei Millionen Kundenkonten noch wesentlich stärker ausfallen. Dabei hat Netflix mit neuen Staffeln von Hit-Serien wie „Stranger Things“ (Start am 27. Mai) und Filmen wie „The Gray Man“ starke Produktionen am Start.
Die Pläne: Um das Wachstum wieder in Gang zu bringen, könnte Netflix nun an einem seiner größten Tabus rütteln und ein günstigeres Streaming-Abo mit zwischengeschalteten Werbe-Clips einführen. Vorstandschef Reed Hastings hatte bislang wenig dafür übrig. Ohne konkrete Pläne vorzustellen, zeigte er sich nun plötzlich doch offen für eine derartige Idee und erklärte, dass ein durch Werbung unterstütztes Angebot „viel Sinn“ machen könnte. Netflix wolle in den nächsten ein bis zwei Jahren an einer solchen Lösung arbeiten.
So ist die Lage bei der Konkurrenz: Trotz des jüngsten Rückgangs liegt Netflix weiter deutlich vor der Konkurrenz. Der große Rivale Disney+ hatte Ende 2021 knapp 130 Millionen Kunden. mm