„Systemsprenger“ in Ludwigshafen

von Redaktion

TV-KRITIK Der jüngste „Tatort“ mit Ulrike Folkerts und Lisa Bitter erinnert an den Kinofilm aus dem Jahr 2019

VON STEFANIE THYSSEN

„Gemeinsam stark, gemeinsam Spaß“ – so steht es in großen Buchstaben an der Wand im Schulflur geschrieben. Doch Spaß hatte an dieser Grundschule schon sehr lange niemand mehr. Und Stärke? Der jüngste „Tatort“ aus Ludwigshafen, der gestern Abend im Ersten lief, erzählt vor allem von Angst und Hilflosigkeit, von Überforderung und Gewalt. Und von den Schwachen und Schwächsten in unserer Gesellschaft, den Kindern.

Zumal, wenn sie „Problemkinder“ sind, wie es immer so schrecklich hässlich heißt. Dabei seien Kinder eigentlich nie das Problem, erklärt der Sozialarbeiter an der Schule. „Sie haben aber welche.“ Der achtjährige Marlon hatte eine ganze Reihe, sorgte seinerseits aber auch für viele – und liegt nun tot am Fuß der Treppe im eingangs zitierten Schulflur.

Wenn Kinder sich daneben benehmen im Unterricht oder in der Pause, kriegen sie hier einen Eintrag ins „rote Heft“. Über Marlon gab’s einen ganzen Ordner: Marlon hat einen Mitschüler verprügelt. Marlon hat eine Lehrerin geschubst. Marlon hat einem Mädchen den Arm gebrochen. Daheim dieselben Dramen. Als er zum dritten Mal von dem Vater einer Mitschülerin angezeigt wird, eskaliert die Situation. Die Mutter (berührend: Julischka Eichel) streicht ihm das Taschengeld, Marlon tickt aus, sie sperrt ihn ins Zimmer, er zertritt die Tür. Szenen, die an das Kinodrama „Systemsprenger“ erinnern, in dem Helena Zengel ein Mädchen spielt, dem jede Impulskontrolle fehlt.

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) müssen nun den Tod des Jungen aufklären und tauchen ein in eine Welt von Kindern, die vielen fremd sein dürfte. Die aber viele – vermutlich mehr, als man annehmen mag – auch besser kennen, als ihnen lieb ist. Etwas ungelenk wirken die beiden Frauen in ihrem Zusammenspiel hier einmal mehr. Lena Odenthal, die Nicht-Mutter, die als Kind selbst gern Grenzen überschritten hat. Und Stern, die alleinerziehende Mutter, die theatralisch beichtet, dass auch ihr mal im Hinblick auf die Kids der Geduldsfaden reißt. Ach was, denkt man sich als zuschauender Elternteil da und kann nur müde lächeln. Die Dialoge zwischen den Kommissarinnen sind schwach in diesem Fall. Wenig nachvollziehbar auch, warum die beiden den Sozialarbeiter Anton Leu (Ludwig Trepte) nicht viel enger in ihre Analysen einbeziehen.

Der Film hallt dennoch nach, weil die Kinder stark spielen, weil das Thema relevant ist. Und weil Odenthal und Stern am Ende keinen Mörder festnehmen. Sondern einen verzweifelten, traumatisierten Sozialarbeiter, für den der Tod des Jungen Strafe genug ist. Und das lebenslänglich.

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