Schwein gehabt

von Redaktion

INTERVIEW Hannes Jaenicke über seine neue ZDF-Doku und Wege aus der Massentierhaltung

Seit er in den Achtzigerjahren einmal eine Geflügelfarm von innen sah, isst Hannes Jaenicke kein Fleisch mehr. „Mir geht’s einfach besser, wenn ich weiß, dass meinem Essen kein Tötungsakt vorausgeht, keine Qualzucht, keine Massentierhaltung“, sagt der vielbeschäftigte Schauspieler, der sich längst auch als Umweltaktivist und Tierschützer einen Namen gemacht hat. In den vergangenen Jahren drehte Jaenicke Dokumentationen unter anderem über Haie, Elefanten und Löwen, nun ist der 62-Jährige „Im Einsatz für das Schwein“. Das ZDF zeigt die Produktion heute um 22.15 Uhr, gleich im Anschluss an das „heute journal“.

Bisher haben Sie überwiegend Dokus über im weitesten Sinne exotische Tiere gemacht, jetzt der Einsatz für das Hausschwein. Wie kam es dazu?

Wir haben lange darüber diskutiert, die Themen unserer Filme ein bisschen näher an Deutschland heranzurücken. Mir geht’s nicht darum, mit dem Finger nach Afrika zu zeigen und zu sagen: Oh, die müssen aber was tun gegen den Elfenbeinhandel! Mir geht’s um unser Verhältnis zur Natur. Das kann man anhand der Massentierhaltung gut illustrieren. Es gibt nur wenige Länder in der Welt, in der Tierhaltung so effizient und grausam industrialisiert wurde wie unseres.

Was hat Sie am meisten entsetzt oder wütend gemacht bei der Recherche?

Ich wusste zwar, dass Schwein in Gelatine drin ist, ich wusste aber nicht, dass es in 7000 Produkten enthalten ist, beispielsweise in vielen Kosmetika. Ich wusste auch nicht, dass Schlachtabfälle auf Äckern landen.

Und was hat Sie positiv überrascht?

Wie intelligent, sozial und reinlich diese Tiere sind.

Auf die Forderung, die Zahl der Tiere zu reduzieren und die Qualität des Fleisches zu erhöhen, wird ja oft entgegnet, dann könnten es sich nur noch die Reichen leisten.

Ich halte das für falsch. In Deutschland werden etwa 50 Prozent der verkauften Lebensmittel weggeschmissen. Würden wir tatsächlich nur noch das kaufen, was wir auch essen, dann würden wir wahrscheinlich sehr viel weniger Geld ausgeben. Dann hätten wir kleinere Mengen, aber höhere Qualität. Die Frage ist auch, welche Prioritäten wir setzen. Brauchen wir wirklich immer das neueste Auto, das neueste Handy, den neuesten Fernseher? Oder sollten wir es machen wie die Italiener und die Franzosen. Die geben monatlich rund 25 Prozent ihres Einkommens für Essen aus, die Deutschen nicht einmal elf Prozent. In Deutschland muss Essen vor allem billig sein und satt machen. Wenn wir zum Sonntagsbraten zurückkehren würden, würde das auch den Sozialhilfeempfänger nicht härter treffen, als wenn er sich jeden Tag ungesundes Billigfleisch vom Discounter holt.

Nun ist mit Cem Özdemir ein Grüner Landwirtschaftsminister. Was müsste er Ihrer Meinung nach tun?

Er müsste die Landwirte und Produzenten retten, die – wir haben sie interviewt – verzweifeln, weil sie dem Preisdruck der Discounter und Großproduzenten nicht standhalten können. Er müsste die Subventionspolitik auf den Kopf stellen. Es wird ja subventioniert nach Quantität und nicht nach Qualität. Im Moment kassieren die Großen das Geld und nicht die kleinen Familienbetriebe, die artgerecht halten.

Wie lautet Ihre Prognose – wie wird es weitergehen?

Vermutlich ist es schon in einigen Jahren preisgünstiger, Stammzellenfleisch in der Petrischale zu produzieren als herkömmliches Fleisch aus der Massentierhaltung. Dieses System mit seinen absurden Lieferketten, Regenwald-vernichtung für genmanipuliertes Futtersoja, Zuchtfabriken und industrialisierter Massenschlachtung wird sich selbst zerlegen, weil es sich einfach nicht mehr rechnet. Ich glaube, die Entwicklung geht in die richtige Richtung, insofern bin ich ganz optimistisch.

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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