Hölle in der Höhe

von Redaktion

Die ARD zeigt heute die ersten drei Teile der hoch spannenden Mini-Serie „Wild Republic“ mit Verena Altenberger

VON MICHAEL SCHLEICHER

Sie wollen ihrer Strafe unbedingt entgehen – und bestrafen sich doch permanent untereinander. Den Knast, in den sie in keinem Fall einfahren wollen, haben sie längst in ihrem Innern errichtet; ihr eigenes Gefängnis aus Vorurteilen, antrainiertem Verhalten und verkrusteten Strukturen hat schier unüberwindbare Mauern. Sie sind einander Richter und Henker – grausamer, als sie ihnen wohl in einem ordentlichen Prozess je begegnen würden: die jugendlichen Straftäter, die zu einer erlebnispädagogischen Maßnahme unter fachkundiger Leitung in die Alpen aufbrechen. Die zwei Monate in den Bergen soll das Selbstvertrauen der jungen Frauen und Männer stärken, sie fit machen für den viel zitierten „Neustart“, den hier alle so dringend nötig haben. Nicht nur die Jugendlichen.

Doch was beginnt wie ein mies gelaunter Klassenausflug Spätpubertiertender unter den Augen einer hochengagierten Sozialpädagogin, die beseelt ist von Sinn und Zweck ihres Tuns, gerät in „Wild Republic“ desaströs außer Kontrolle. Denn plötzlich gibt es eine Leiche – und eine panische Flucht der jungen Leute. Davon erzählen die Regisseure Markus Goller und Lennart Ruff in ihrer achtteiligen Serie, deren erste drei Folgen die ARD in all ihrer Mutlosigkeit heute von 22.15 Uhr an versendet. In den Mediatheken des Ersten sowie von Arte sind die je 45 Minuten langen Filme bereits abrufbar; Premiere feierte die Arbeit im April des vergangenen Jahres bei MagentaTV.

Natürlich ist die Geschichte nicht neu: Jugendliche, die – warum auch immer – auf sich allein gestellt sind in einer feindlichen Umwelt, kennt das Fernsehen aus dem Effeff; die ZDF-Produktion „Sløborn“ (2020) ist eines der jüngeren Beispiele. Und, ja, natürlich, wäre es sinnvoll gewesen, hätten die Macher einen Tick länger über den Titel ihrer Serie nachgedacht. Doch ist all das eh wurscht, denn den Regisseuren, ihren fünf Drehbuchautoren – vor allem aber dem starken Ensemble – ist mit „Wild Republic“ ein bemerkenswertes Stück Fernsehen geglückt.

Das hat mehrere Gründe. So haben Goller und Ruff etwa trotz spektakulärer Naturkulisse und ordentlich Action in den Alpen wunderbar entschleunigt inszeniert. Die Zeit nutzten sie für die Entwicklung ihrer Figuren – dass der gebürtige Münchner Goller das kann, hat er etwa bei seinem hinreißenden Kinofilm „25 km/h“ gezeigt. Die Charaktere überraschen immer wieder – wobei kein Twist aus dem Nichts kommt, jeder handelt hier letztlich aus der jeweiligen Biografie heraus nachvollziehbar. Dabei zerbröselt das Autorenteam en passant auch die Vorurteile der Zuschauerinnen und Zuschauer.

Zwar stehen bei „Wild Republic“ mit Verena Altenberger, die in Salzburg heuer zum zweiten Mal als Buhlschaft zu erleben sein wird, und Ulrich Tukur zwei große Namen auf dem Besetzungszettel – doch gönnt sich die Regie den Luxus, die Stars in den Dienst der Inszenierung zu stellen. Die beiden tauchen auf, wenn es dramaturgisch sinnvoll ist – und nicht, weil sie für die Produktion unterschrieben haben. Ein Glück. Denn sowohl Tukur als auch Altenberger gestalten ihre Figuren punktgenau: Dort der Vater, der sich in den Glauben geflüchtet hat, mit Geld alles lösen zu können. Hier die herzensgute Sozialpädagogin, taff und empathisch: Jedoch entblättert Altenberger nach und nach die Seele ihrer Rebecca und zeigt schließlich eine hilflose Helferin.

Getragen werden die Filme aber vor allem von den Schauspielerinnen und Schauspielern in den Rollen der Straftäter, denen je ein Kapitel gewidmet ist. Dabei zeigt das Ensemble durchweg eine starke Leistung, sei es in Solo-Szenen oder im Zusammenspiel.

Artikel 2 von 2