Ein Leben, viele Rollen

von Redaktion

In Frankfurt ist eine Ausstellung über den Kritiker Marcel Reich-Ranicki eröffnet worden

90 Minuten Film sind gewiss lange nicht genug, um seine Geschichte zu erzählen. Der Regisseur Dror Zahavi versucht es 2009 trotzdem, mit Matthias Schweighöfer als Marcel Reich-Ranicki in der ARD-Produktion „Mein Leben“. Der Porträtierte selbst zollte dem Werk direkt nach dessen Premiere höchsten Respekt: Der Film sei „fabelhaft“ geworden, so der Literaturkritiker (1920-2013), „Er hat mich fabelhaft gemacht. Dieser Film ist das, was ich erträumt, aber nicht zu hoffen gewagt habe.“ Später allerdings, in einem Interview mit der „Zeit“, nannte Reich-Ranicki den Film „eine große Enttäuschung“. Er habe „zu wenig Unterhaltung“ geboten und ihn „nicht berührt“. Irgendwie typisch Reich-Ranicki, der zeit seines Lebens nicht zuletzt immer wieder dadurch für Furore sorgte, dass er unberechenbar war.

Eine Ausstellung in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt widmet sich nun auch dem Leben des großen Reich-Ranicki. Die Schau nähert sich der vielschichtigen Person in sieben Kapiteln, dabei werden ihre unterschiedlichen Rollen gezeigt, etwa die des Zeitzeugen, des Heimatsuchenden, des Kritikers und des Kritisierten oder auch des Medienstars. Die Ausstellung beschreibe auch Reich-Ranickis ambivalentes Verhältnis zum Judentum, erklärten die Kuratoren vor der Eröffnung.

In den Vitrinen werden verschiedene Schriftstücke, Fotos und Dokumente präsentiert. Zu sehen gibt es etwa seine Bewerbung um einen Studienplatz an der Berliner Humboldt-Universität, die wegen seiner jüdischen Herkunft abgelehnt wurde, oder ein selbstgeschriebenes und selbstillustriertes Büchlein mit Texten von „Erich Kästners Lyrischer Hausapotheke“, das seine spätere Frau Teofila im Warschauer Ghetto für ihn angefertigt hatte.

Auch mehrere Briefe können nachgelesen werden, beispielsweise von und an den Schriftsteller Heinrich Böll. Manche Exponate werden zum ersten Mal in der Öffentlichkeit präsentiert. Zudem können zahlreiche Videos und Audiodateien abgerufen werden.

Die Ausstellung „Marcel Reich-Ranicki. Ein Leben, viele Rollen“ läuft seit Freitag bis zum 14. Januar 2023. Kuratiert wurde sie von Uwe Wittstock, der auch Autor des Buches „Marcel Reich-Ranicki. Die Biografie“ ist, und Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs. Der Eintritt ist frei.

J. TOBIEN, S. THYSSEN

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