„Ruhe bewahren“

von Redaktion

INTERVIEW Harald Lesch über seine neue ZDF-Reihe und Strategien gegen die allgemeine Hysterie

Fernsehzuschauer kennen ihn als Experten, der dem Publikum in der ZDF-Wissensreihe „Terra X“ und in „Leschs Kosmos“ die großen und kleinen Geheimnisse des Universums und des Alltags erklärt. Doch der Astrophysiker und Naturphilosoph Harald Lesch (61) kann auch anders. In der neuen ZDF-Gesprächsreihe „Lesch sieht Schwartz“ plaudert Deutschlands populärster Wissenschaftsjournalist immer an Feiertagen mit dem befreundeten katholischen Theologen Thomas Schwartz über Gott und die Welt – vor der imposanten Kulisse des Klosters Seeon unweit des Chiemsees. Die Reihe startet an Fronleichnam um 17.45 Uhr, die zweite Ausgabe ist für den 15. August, Mariä Himmelfahrt, geplant.

Die erste Ausgabe dreht sich um die Hysterie, die bei immer mehr öffentlichen Debatten um sich greift. Wie ist die zu erklären?

Sie bricht deshalb immer wieder aus, weil viele Nachrichten seit ein paar Jahren so bedrohlich sind. Viele Leute wissen einfach nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ob Corona, Klimawandel, Energiewende oder der Krieg in der Ukraine – die Menschen sind von diesen beängstigenden Entwicklungen einfach verunsichert, und der mediale Druck verstärkt diese Angst natürlich noch. Man weiß nicht mehr, was man machen soll, dann entstehen auch noch Verschwörungserzählungen, das Vertrauen in die Institutionen nimmt ab – all das kann hysterische Reaktionen auslösen. Darüber reden Thomas Schwartz und ich, letztendlich geht es aber um das Thema Vertrauen. Inwiefern haben wir überhaupt noch Vertrauen in die Welt, in unsere Mitmenschen, in uns selber, in Gott?

Machen auch Ihnen schlechte Nachrichten zu schaffen?

Aber klar! Ich bin vor Kurzem mit meiner Frau auf der Fähre vom italienischen Festland nach Elba gefahren, und auf der Fahrt schaut meine Frau aufs Smartphone und sagt: „Putin hat die nuklearen Streitkräfte aktiviert.“ Da habe ich eine Panikattacke bekommen. Ich wollte sofort nach Hause zurück, habe mich dann zum Glück wieder beruhigt. Ich konnte anfangs überhaupt nicht einschätzen, was „Aktivierung der nuklearen Streitkräfte“ bedeutet, und zum Glück haben mich seriöse Medien dann aufgeklärt, dass das eine Prozedur ist, die nicht zwangsläufig zum Atomkrieg führen muss.

Wie schützen Sie sich vor der medialen Überflutung mit Schreckensnachrichten?

Ich habe kein Smartphone und bin relativ wenig online unterwegs, wobei mir schon klar ist, dass man sich das erst mal auch leisten können muss. Aber mir ist es einfach wichtig, der total aufgeregten Gackerei im Internet etwas entgegenzusetzen, diesem Tsunami aus schlechten Nachrichten. Da gilt es Ruhe zu bewahren und sich Orientierung zu verschaffen.

Sie sind bekanntermaßen praktizierender Christ. Gehen Sie regelmäßig in die Kirche?

Wenn mir danach ist und wenn ich weiß, wer predigt, gehe ich in die Kirche. Ich bin ja evangelisch, und bei uns spielt die Predigt eine große Rolle. Direkt bei mir um die Ecke ist eine katholische Kirche, und da gehe ich auch ab und zu hin, bin dann ganz für mich und stecke für all jene eine Kerze an, die mir etwas bedeuten.

Glaube und Wissenschaft sind für Sie kein Widerspruch. Aber wo hört für Sie die Physik auf und wo fängt Gott an?

Ich will es mal so sagen: So wie ich Physik betreibe, ist sie keine Sache Gottes. Aber so wie ich mit den Menschen umgehe und wie ich mit mir und der Welt umgehe, da spielt meine Religion doch eine ganz zentrale Rolle. Was ich als Physiker mit den Mitteln der empirischen Wissenschaft erkennen kann, sind die Gesetze, nach denen die Natur funktioniert. Aber welchen Wert ich der Welt beimesse und nach welchen Werten ich lebe, ist eine Sache der Religion und meines Glaubens.

Das Gespräch führte Martin Weber.

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