„Wenn ich in den Spiegel schaue“, sagt Ilse Neubauer, „sehe ich eine Frau mit 80. Aber fühlen tu ich mich manchmal noch wie 18.“ Heute feiert die Münchner Schauspielerin ihren runden Geburtstag und empfindet sich als nicht so weise, wie sie es sich als junge Frau ausgemalt habe. Dafür blitzt im Gespräch mit unserer Zeitung immer wieder ihr unverwechselbarer Humor auf. Neubauer, die als „Ilse-Hasi“ in „Die Hausmeisterin“ Fernsehgeschichte schrieb, hat ein großes Herz, einen unbestechlichen Blick auf unsere Gesellschaft und sich selbst. Eine echte bayerische Ikone – auch wenn sie das in ihrer Bescheidenheit niemals so unterschreiben würde.
Im Alter gewinnt man an Erfahrung. Was verliert man?
Ich spüre schon, dass ich an Frische, an Unbedingtheit und manchmal auch an Leichtigkeit verloren habe.
Inwiefern?
Wir wissen heute so viel und erfahren tatsächlich, wenn in Peking ein Fahrrad umfällt. Manchmal erschlägt mich das große Weltgeschehen, die Kriege, Pandemien, sexueller Missbrauch, Betrügereien und die Schamlosigkeit, mit der manche Menschen all das ausnutzen. Das verursacht bei mir ein Gefühl der absoluten Ohnmacht.
Was setzen Sie dem entgegen?
Ich ziehe mich dann in mich selbst zurück, meditiere ein bisschen. Und mache mir immer wieder klar, dass ich ja nur bei mir und meinem Umfeld etwas positiv verändern kann. Wenn das jeder täte, wäre die Welt viel besser. Aber es freut mich auch, dass ich immer öfter dem „neuen Mann“ begegne …
Wie definiert sich der in Ihren Augen?
Der neue Mann macht keine sexistischen Sprüche, ist aber auch kein Softie. Der hört zu und sagt nicht solche Sachen wie: „Die Weiber – immer so hysterisch!“ oder „Du bist wie deine Mutter!“ Sätze, mit denen man eine Frau zum Schweigen bringen kann.
Sprüche, die an der Tagesordnung waren, als Sie vor mehr als 50 Jahren beim Bayerischen Rundfunk als Sprecherin anfingen …
Absolut. Da gab es Typen, die haben gegrabscht und nasse Schmatzer verteilt, dass es ein Graus war. Heute würde man die Polizei rufen, damals konnte man als junges Mädchen nicht damit umgehen. Ich kam dazu aus einem Frauenhaushalt. Mein Vater starb, als ich elf Jahre alt war, und meine Mutter hat mich auf die Männerwelt nicht vorbereitet. Es hat lange gedauert, bis ich mich wehren konnte und meine erste Watschn verteilt hab’.
Glücklicherweise hat sich vieles verändert. Trotzdem kämpfen Frauen heute noch weltweit gegen Benachteiligung.
Und das ist mein Dilemma! Ich möchte mindestens 100 Jahre alt werden – natürlich halbwegs bei Gesundheit und Verstand –, um auch noch die nächsten wichtigen Schritte in der Gleichberechtigung zu erleben.
Der BR zeigt anlässlich Ihres Geburtstags eine Auswahl an Sendungen. Welche Höhepunkte Ihrer Karriere hätten Sie persönlich ausgewählt?
Von Höhepunkten würde ich gar nicht sprechen, aber natürlich war „Die Hausmeisterin“ mein absoluter Durchbruch. Und dann würde ich gern mal wieder etwas von den ganz alten Sachen sehen. Wie die „Münchner Geschichten“ von Helmut Dietl oder das Fernsehspiel „Die Überführung“, wo ich als junge Frau mit Christa Berndl und Karl Obermayr vor der Kamera stand.
Was muss eine Rolle mitbringen, damit Sie heute sagen: Ich mach’s?
Sie muss beim Drehen Spaß machen und so breit gefächert wie möglich sein. In meiner Laufbahn habe ich von der Putzfrau über die Hure bis hin zur Managerin alles gespielt. Und besonders liebe ich es, negative Rollen zu spielen. Vielleicht weil ich da eine Seite ausleben kann, der ich sonst keinen Raum gebe. (Lacht.)
Das Gespräch führte Astrid Kistner.