Ein junges schwules Paar im Zug, ein aggressiv in sein Smartphone brüllender Mitreisender, und plötzlich, wie aus dem Nichts, tödliche Schläge mit dem Nothammer. Ganz offensichtlich eine Bluttat im Affekt, vor den Augen der Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer – was gibt es da noch zu ermitteln, aufzudecken? „Blackbox“, der jüngste „Polizeiruf 110“ (ARD) aus Magdeburg, zeigt, welche Wahrheiten hinter einem Fall zum Vorschein kommen, wenn man nur lange genug an der Oberfläche kratzt.
Es ist ein ungewöhnlich gut gebautes Buch (Zora Holtfreter), das Ute Wieland da für ihre Heldin Claudia Michelsen als Kommissarin Doreen Brasch verfilmt hat – obwohl es eigentlich kein (Krimi-)Klischee auslässt. Die elitären Eltern des Täters (Corinna Kirchhoff und Sven-Eric Bechtolf), die der Kriminalerin offen drohen, der Vorgesetzte (Felix Vörtler als Uwe Lemp), der ihr demonstrativ in den Rücken fällt („Sie haben nicht die geringste Befugnis“), obwohl er sie eben noch als seine erfolgreichste Mitarbeiterin gelobt hat, der loyale Kollege (Pablo Grant als Günther Márquez). Und nicht zuletzt Braschs Trauma durch einen zurückliegenden Fall, der sie in Lebensgefahr brachte.
Und dennoch reißt sie mit, diese Geschichte über eine verschüttete Vergangenheit, über die „Black Box“ Gehirn und die zentrale Frage, ob sich frühkindliche Erfahrungen neutralisieren lassen, ob die „Festplatte“ im Kopf einfach „überschrieben“ werden kann. Oder ob gilt, was das Pflegeelternpaar des späteren Opfers in einer Szene sagt: „Haste ’n Scheißstart, haste ’n Scheißleben!“
Fixpunkt in diesem Krimi ist neben Einzelkämpferin Brasch der von Eloi Christ überzeugend gespielte Adam Dahl, aus dessen ihn selbst zutiefst ängstigenden Erinnerungsbruchstücken sich seine Kindheit rekonstruieren und das Motiv für seine Tat finden lässt. Am Ende hat man sogar Mitleid mit den Eltern Dahl, die durch das „Ersatzkind“ mit dem vielsagenden Namen Kaspar doch nur ein tragisches Unglück kompensieren wollten.
Ein starker Film zum Ende der Saison, dessen (Dialog-) Schwächen in der einen oder anderen Szene man gerne – „verdrängt“.
Der Chef fällt ihr in den Rücken
Verschüttete Vergangenheit