Unsere wilden Siebziger

von Redaktion

ZDF-Dokureihe – Uschi Glas, Peter Maffay & Co. erinnern sich an ein bewegtes Jahrzehnt

VON STEFANIE THYSSEN

Es braucht nur ein paar Takte irgendeines Jimi-Hendrix-Songs – und schon ist man mittendrin im Gefühl der Siebziger. Diesem „Jahrzehnt der Gegensätze“, wie es das ZDF nennt, das ihm ab Sonntag eine vierteilige Doku-Reihe widmet. Und es stimmt ja: Willy Brandt bekommt für seine Ostpolitik den Friedensnobelpreis. Gleichzeitig sorgt der Terror der RAF in Deutschland für Angst und Schrecken. Led Zeppelin ist genauso in den Charts vertreten wie Roy Black. Und die Röcke werden bunter und kürzer – die Väter der Töchter, die sie tragen, dafür umso strenger. „Ich kann mich gut an die Zeit des Minis erinnern“, sagt Uschi Glas in dem Film und lacht. „Da hat man sich zum ersten Mal was getraut, und der Vater hat gesagt: Das ist unmöglich! Wie ihr ausschaut!“

Überhaupt „die Uschi“, wie sie bis heute gern genannt wird. Nach ihrem (unvollendeten) Striptease auf dem Polizeirevier in „Zur Sache, Schätzchen“ wurde sie quasi über Nacht zum Star. Der Film feierte zwar schon 1968 Premiere, transportiert aber sehr gut das „Feeling“ der Siebziger. Glas selbst konnte dabei gar nicht so viel anfangen mit Hippies, freier Liebe und der mitunter verordneten Lässigkeit. „Die Partner zu tauschen, und dann bist du cool“, sagt die heute 78-Jährige mit der ihr eigenen sehr großen Lässigkeit, „da hab ich überhaupt nichts dran gefunden.“ Sie fand das alles eher furchtbar. „Wieso soll ich mich mit irgendeinem wildfremden Mann ins Bett legen?“, fragt sie keck und empört zugleich. „Dann bin ich modern und schick und cool? Nie im Leben!“

Die Drehbücher, die ihr damals angeboten wurden, seien übrigens entsprechend gewesen. Ungefähr auf Seite zehn habe es meist geheißen, die Hauptdarstellerin zieht sich aus. „Ohne Grund“, so Glas. Jedenfalls ohne dramaturgischen. Als ihre Agentin ihr gesagt habe, sinngemäß, sie sei doch sehr attraktiv und könne sich das gut leisten, habe sie nur geantwortet: „Ich kann schon, aber ich mach es nicht.“

Uschi Glas ist nicht die Einzige, die sich in den vier Teilen der Doku an „Die 70er“ erinnert. Peter Maffay erzählt von seinen vielen Auftritten in der ZDF-Hitparade („dann hatte man es geschafft“) und verrät, dass er ein Autogramm von Willy Brandt besitzt. „Ich habe in meinem Leben nicht viele Autogramme versucht zu bekommen“, sagt er. „Aber von ihm hab ich eins. Und darauf bin ich sehr stolz.“ Das Foto von Brandts Kniefall in Warschau ist natürlich auch eines der Bilder der Zeit. Genau wie Männer mit langer Mähne, an die sich Moderator Marcel Reif mit Grauen erinnert. Oder das Sendeverbot für die Sesamstraße im BR. Amerikanische Slums seien nichts für bayerische Kinder, fand man seinerzeit in der Fernsehdirektion des Senders.

Uschi Glas kann es nicht fassen: „Man muss sich schämen“, sagt sie und muss lachen. Insgesamt erzählt die Doku – natürlich – nichts wirklich Neues. Die Geschichte ist nun mal geschrieben. Aber sie schwelgt mit schönen Bildern und guten Gästen (unter anderen sind der Journalist Hajo Schumacher, die Schauspielerin Cosma Shiva Hagen und die Moderatorin Aminata Belli dabei) in Erinnerungen an eine ereignisreiche Zeit, in der vieles anders, manches vielleicht besser, aber eben auch schlechter war.

„Die 70er“

ab Sonntag, 20.15 Uhr, bei ZDFinfo.

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