Er ist schon seit fast einer Woche tot, doch bekannt wurde dies erst am Mittwoch durch eine Mitteilung des Landgerichts München I. Dieter Wedel drohte ein vermutlich aufsehenerregender Prozess, zu dem es jetzt nicht mehr kommen wird. Der einstige Starregisseur starb im Alter von 82 Jahren in Hamburg, „nach langer, schwerer Krankheit, wie es hieß“. In seinen letzten Jahren war Wedel der Erfolg nach und nach abhanden gekommen, der gebürtige Frankfurter, der ein turbulentes Privatleben hatte, geriet zuletzt nicht mehr wegen seiner Filme in die Schlagzeilen, sondern wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung, den die Schauspielerin Jany Tempel gegen ihn erhob.
Schon lange vorher war Dieter Wedel nicht als Mann bekannt, der bei Dreharbeiten besonders freundlich mit Stab und Cast umging. Nahezu jeder, der einmal mit ihm zusammenarbeitete, konnte Geschichten davon erzählen. Auch darüber, wie es dem charismatischen Egomanen hinter der Kamera gelang, aus sämtlichen Darstellern absolute Höchstleistungen herauszukitzeln. Einer der vielen Widersprüche und starken Kontraste, die das Leben des Dieter Karl Cäsar Wedel begleiteten.
Dass seine Eltern, der früh verstorbene Lederwarenfabrikant Karl Wedel und dessen Frau Ada, eine Pianistin, ihn für zu Höherem bestimmt hielten, ließ sich schon an der Wahl des dritten Vornamens ablesen. Um das Geburtsdatum machte er ein Geheimnis, irgendwann kristallisierte sich aber doch der 12. November 1939 als korrektes Datum heraus. Die Kindheit verbringt der kleine Dieter im hessischen Bad Nauheim, wo er wegen Tuberkulose erst ein Jahr lang das Krankenbett hüten muss, unterrichtet von einem Privatlehrer. Anschließend überspringt er die gesamte Grundschule und steigt sofort ins Gymnasium ein.
Mit zwölf Jahren inszeniert er die Weihnachtsgeschichte für seine Schule. Zwei Jahre später bekommt er seinen ersten Tobsuchtsanfall vor Publikum, als die Mitschüler lieber mit der elektrischen Eisenbahn spielen wollen als mit ihm Theater zu spielen. In solchen Phasen des Unverstandenseins zieht er sich stets zurück, liest viel und häuft immer mehr Wissen an, das den ehrgeizigen Überflieger weiter von seinen Altersgenossen trennt. Mit 17 Jahren wird er hessischer Jugendmeister im Tennis. Später verdient er sich Geld, indem er anderen eine ähnlich knallharte Vorhand antrainiert, wie er sie laut Eigenaussage besaß.
Eine feste Hand zeichnet dann auch seinen Regiestil aus. Auf der Studentenbühne probiert er sich aus, ehe er unter anderem am Berliner Hebbeltheater und später als Hörspielregisseur für Radio Bremen arbeitet. Verschiedene Aspekte kristallisieren sich in jener Phase neben seinen zahlreichen Erfolgen schon deutlich heraus. Zu einer zunehmend unguten Mischung, die man heute gerne „toxisch“ nennt – sein Image des Womanizers, seine von „Zuckerbrot und Peitsche“ geprägte Arbeit an Set oder Bühne sowie sein übersteigertes Selbstbewusstsein, gepaart mit extremer Eitelkeit. Dr. Dieter Wedel, der Titel war dem promovierten Philologen zeitlebens sehr wichtig, war ein Mann, der zwar wie nebenbei die großartigsten Drehbuchideen äußern konnte, für den aber auch kaum ein anderes Urteil als sein eigenes wirklich Gewicht hatte. Sein erster Fernsehfilm „Gedenktag“ (1970) über den Volksaufstand am 17. Juni 1953 beschert ihm große Aufmerksamkeit. Der Dreiteiler „Einmal im Leben – Geschichte eines Eigenheims“ katapultiert ihn dann endgültig in die erste Liga. Im Fernsehen macht er sich mit aufwendigen, hochkarätig besetzten, sorgfältig recherchierten und bis ins kleinste Detail penibel austarierten Mehrteilern unsterblich – „Der große Bellheim“ (1992), „Der Schattenmann“ (1995), „Der König von St. Pauli“ (1998), „Die Affäre Semmeling“ (2002) und zuletzt „Gier“ (2010).
Von 2002 bis 2014 leitet er die Nibelungenfestspiele in Worms. Im Jahr 2015 wird er Intendant der Bad Hersfelder Festspiele. Dort ist er drei Jahre lang tätig, ehe er sich unter dem Druck der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückzieht.