Der Skandal um die inzwischen zurückgetretene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger zieht immer weitere Kreise – und bringt neue Vorwürfe mit sich, die auch andere Sendeanstalten innerhalb der ARD betreffen. So berichtet die „Bild“-Zeitung in ihrer Freitagsausgabe vom „nächsten Luxusfall“, diesmal beim Bayerischen Rundfunk (BR). Die Technik-Direktorin Birgit Spanner-Ulmer (59) habe einen Audi A7 und zwei eigene Fahrer, so das Blatt, das im Axel Springer Verlag erscheint.
Fakt ist, dass der Intendantin Katja Wildermuth und den Direktoren des Senders wie Björn Wilhelm (Programmdirektor Kultur), Thomas Hinrichs (Programmdirektor Information) oder eben Birgit Spanner-Ulmer (Direktorin Produktion und Technik) jeweils ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird, der auch für private Zwecke genutzt werden kann. Das bestätigt ein BR-Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Die Steuer aus dem geldwerten Vorteil der privaten Nutzung trage der jeweilige Nutzer. Weiter heißt es: „Für dienstlich veranlasste Fahrten können die Intendantin sowie die Direktorinnen und Direktoren einen betriebsinternen Fahrer in Anspruch nehmen.“ Im Fall von Spanner-Ulmer würden sich tatsächlich zwei Personen diese Aufgabe teilen, allerdings würden beide vom BR auch anderweitig eingesetzt. „Sie hat als Produktions- und Technikdirektorin im gesamten Sendegebiet umfangreiche dienstliche Verpflichtungen, dabei müssen zwingend Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden, was einen Wechsel nötig macht“, so der Sprecher. Allerdings: Der jeweils diensthabende Fahrer kann von Spanner-Ulmer auch für private Fahrten eingesetzt werden – eine Ausnahmeregelung, die aus einem alten Dienstvertrag stammt. „Alle jüngeren Direktoren-Verträge sehen anders aus.“
Was ebenso stimmt und zumindest verwundert, ist, dass Spanner-Ulmer zusätzlich ein Ford Mondeo aus dem BR-Fuhrpark ohne Fahrer zur Verfügung steht. Was ist der Grund dafür? Darauf hatte der BR bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Antwort.
BR-Intendantin Katja Wildermuth will sich derzeit nicht äußern. Innerhalb der ARD hat man sich verständigt, mit einer Stimme zu sprechen – und zwar der von Tom Buhrow, WDR-Intendant und amtierender ARD-Vorsitzender. Er fordert eine „lückenlose Aufklärung“ der Affäre Schlesinger. „Tausende Mitarbeiter in der ARD leisten jeden Tag gute Arbeit für unsere Programme, und das darf nicht überschattet werden von diesen Vorwürfen, auch wenn sie sehr massiv sind“, sagte Buhrow der „Welt am Sonntag“. Gegenüber der dpa kündigte er an, dass sich die ARD für eine Stärkung der Aufsicht aller Sender einsetzen werde. Gleichzeitig müsse man den Blick nach vorne richten. Es sollten mehr Synergien geschaffen werden, „um das beste Programm für die Menschen zu machen“.
Ebenfalls in den „Schlesinger-Strudel“ geraten ist derweil der Norddeutsche Rundfunk (NDR). Hintergrund hier ist das Doku-Drama „Der gute Göring“ aus dem Jahr 2016, an dem Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl in ihrer Zeit als Programmbereichschefin beim NDR als Drehbuchautor mitwirkte. Der Sender teilte am Freitag dazu mit, dass die unabhängig arbeitende Anti-Korruptionsbe-auftragte des NDR einen Hinweis von außerhalb des Hauses zu dem Film erhalten habe. Sie prüfe nun den Vorgang. Zuvor hatte der RBB selbst darüber berichtet. An der Ko-Produktion war demnach auch die TV-Firma von ARD-Talkerin Sandra Maischberger beteiligt.
Der NDR teilte mit, dass er trotz damals getroffener Vorkehrungen zur Vermeidung eines Interessenkonflikts die Vorkommnisse beim RBB zum Anlass genommen habe, die internen Vorgänge zum Doku-Drama auf Einhaltung der Dienstvorschriften zu prüfen. Die Verbindung zwischen Spörl und Schlesinger sei im Sender durchaus bekannt gewesen. „Die Beauftragung der Produktion erfolgte mit Genehmigung der Fernsehdirektion.“
Wie berichtet ist Patricia Schlesinger seit Wochen zahlreichen Vorwürfen der Vetternwirtschaft und der Untreue ausgesetzt. Im Zentrum steht neben der 61-Jährigen, die als ARD- und RBB-Chefin inzwischen zurückgetreten ist, und ihrem Ehemann auch der ebenfalls zurückgetretene Chefkontrolleur des Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg, Wolf-Dieter Wolf. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen alle drei wegen des Anfangsverdachts der Untreue und Vorteilsannahme. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte am Freitag Schlesingers fristlose Entlassung. STEFANIE THYSSEN/ANNE RINGLE