Zahlreiche Welthits hat sie geschrieben – Liedermacherin Joni Mitchell, die Ende der Sechzigerjahre mit den Alben „Song to a Seagull“ und „Clouds“ ins Rampenlicht trat. Sie wurde von Kolleginnen und Kollegen verehrt, und auch heute noch lassen sich Künstler von der Kanadierin inspirieren. Der deutsch-französische Kulturkanal Arte zeigt heute um 21.45 Uhr das Porträt „Joni Mitchell – Hippie Folk Goddess“ über die Musikerin, die sich im Laufe ihrer Karriere immer wieder selbst erfunden hat.
„Wenn Du mit einem Pinsel malen kannst, dann kannst Du auch mit Worten malen“ – diesen Satz habe ihr einst ein Lehrer mit auf den Weg gegeben, erinnert sich Mitchell. Und gerade die Qualität ihrer Texte, in denen sie auf poetische Weise ihr Inneres nach außen kehrt, ist das, was ganze Generationen von Fans beeindruckt. Ihr Gitarrenspiel und ihr glockenheller Sopran gelten als unverwechselbar. Von sich selbst sagt Mitchell, sie sei „keine Folksängerin“, auch wenn sie oft als solche bezeichnet werde.
Folkmusik war es allerdings, mit der sie Ende der Sechzigerjahre ihre Karriere begann. Doch im Laufe der Jahre kam – in zunehmend tieferer Stimmlage – Jazz hinzu, noch später Rock und Pop. Nach der Jahrtausendwende kehrte sie zu ihren musikalischen Wurzeln zurück. In eine Schublade lässt sich diese Frau jedenfalls schwer stecken, zumal sie sich auch als Malerin einen Namen machte. Zahlreiche Cover ihrer Alben gestaltete sie selbst.
Mit Anfang 20 war sie aus Kanada in die USA gegangen, um Musik zu machen. Schnell zählten Größen wie Neil Young und Eric Clapton zu ihrem Umfeld. Mit David Crosby war sie liiert, später mit dessen Bandkollegen Graham Nash. Mit Crosby, Stills, Nash and Young stand sie gemeinsam auf der Bühne. Nicht auf der Bühne stand sie als eine der wenigen Größen ihrer Generation ausgerechnet beim legendären Festival von Woodstock im Jahr 1969. Sie hatte am nächsten Tag einen Fernsehauftritt, den sie nicht verpassen wollte. Das Festival verfolgte sie vor dem Bildschirm. Es schmerzte sie, nicht dabei gewesen zu sein – im Nachhinein schrieb sie das Lied „Woodstock“, das prompt zur Festivalhymne avancierte. Das große private Drama der Joni Mitchell war der Verlust ihrer Tochter. Als sie 1964 schwanger wurde, gab sie das Kind zur Adoption frei, weil sie glaubte, es nicht versorgen zu können. Die Frage, wo das Mädchen sei, beschäftigte sie stets. Erst mehr als 30 Jahre später traf sie ihre Tochter wieder.
Die Autorinnen Clara und Julia Kuperberg trugen für das Porträt viel Archivmaterial zusammen und zeichnen ein sehenswertes Bild einer vielschichtigen Künstlerin. Mitchell hatte sich in den vergangenen 20 Jahren von der Bühne weitgehend zurückgezogen. Bis sie – was für den Arte-Beitrag zu spät kam – vor ein paar Wochen, im Alter von 78 Jahren und von schwerer Krankheit gezeichnet, überraschend beim „Newport Folk Festival“ auftrat. Beeindruckend und bewegend.