„Ich bin froh, heute zu leben“

von Redaktion

INTERVIEW Tom Neuwirth über die ZDF-Show „Music Impossible“, Queerness und den ESC

Formate, in denen bekannte Musikerinnen und Musiker die Lieder der oder des jeweils anderen singen, gibt es bereits, man denke an „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ bei Vox. Mit einem ähnlichen Konzept will nun auch das ZDF beim Publikum Gehör finden. In „Music Impossible“ müssen zwei Künstler aus unterschiedlichen Genres einen eigenen Titel im Sound des anderen „performen“. In der ersten Folge, zu sehen heute um 23.30 Uhr, nach dem „ZDF Magazin Royale“, treffen Schlagerlegende Marianne Rosenberg (67) und Rapper Eko Fresh (38) aufeinander. Rosenberg versucht sich an einer Rap-Version von „Hallo mein Freund“, Eko Fresh an einer Schlager-Variante von „Quotentürke“. Das Publikum – normale Konzertbesucher – entscheidet nach einem abschließenden Auftritt, wer es besser gemacht hat. Moderiert wird das Format von Tom Neuwirth, der als Conchita Wurst im Jahr 2014 für Österreich den ESC gewann. Im Gespräch mit unserer Zeitung macht der 33-jährige Österreicher aus seiner Verehrung für Rosenberg („I war fertig!“) und Fresh („I love him!“) keinen Hehl.

Was dachten Sie, als das ZDF mit dieser Idee an Sie herangetreten ist?

Ich habe mich sehr gefreut, dass es nach langer Zeit wieder ein neues Musikformat im Mainstream geben soll. Bissl cheesy, of course, aber Musik ist ja eine universelle Sprache, die von allen verstanden wird. Auch meine Rolle darin fand ich extrem cool.

Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat bei der Arbeit mit den beiden?

Ich fand es spannend, sie in Situationen zu erleben, die sie nicht kennen. In ihren jeweiligen Welten sind Marianne Rosenberg und Eko Fresh ja absolute Stars, und plötzlich spürst du die Unsicherheit, wenn sie aus dieser Welt herausmüssen. Was wird die jeweilige Fanbase dazu sagen? Ich dachte: Schau her, das hätte ich jetzt nicht für möglich gehalten! Am Ende des Tages sind wir doch alle gleich, was unsere Ängste betrifft! Aber wie ernsthaft und zugleich mit wie viel Selbstironie die beiden an die Sache herangegangen sind, fand ich stark.

Rosenberg gilt ja als Ikone der Schwulenbewegung, zu Zeiten der „Hitparade“ war queer zu sein jedoch absolut tabu. Rex Gildo und auch Jürgen Marcus mussten ihre Homosexualität verheimlichen…

Zum Glück hat sich seitdem viel getan in dieser Hinsicht, die Gesellschaft hat sich upgedatet, und das ist gut so, denn Exklusion ist meines Erachtens immer ein Fehler. Ja, es ist total schön, dass queere Realität offen stattfindet. Wie schnell das kippen kann, sieht man aber an den Morden von Oslo. (Bei dem Anschlag auf eine Bar wurden im Juni 2 Menschen getötet und 21 verletzt, Red.)

Dann ist unsere Epoche gar nicht so liberal?

Natürlich ist sie liberaler als zu Zeiten der „Hitparade“, eh klar. Obwohl es immer noch ein Tabu ist, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu bekennen, beispielsweise im Sport. Dabei hat es Queerness immer schon gegeben, sie wurde über Jahrhunderte hinweg in gewissen Communities als etwas Schönes gefeiert. Dann kamen die Kirche und das Patriarchat – und bumm, zack, war’s vorbei. Ich bin froh, heute zu leben, aber ich habe mir das nicht ausgesucht.

Wenn Sie an Ihren ESC-Sieg zurückdenken – was ist seitdem gut gelaufen und was nicht?

Ich glaube, nicht so gut war meine unbewusste Verwandlung in den Charakter Conchita Wurst. Ich habe mich gefühlt wie eine Präsidentengattin, die immer adrett gekleidet ist und versucht, das Richtige zu sagen. Aber aus dem Negativen hat sich auch das Positive entwickelt. Ich habe mich über die Jahre immer besser kennengelernt und kann heute sagen: I bin grad so nah an mir dran wie niemals zuvor. Und das ist geil!

Das Gespräch führte Rudelf Ogiermann.

In einer weiteren Folge

am nächsten Freitag, 9. September, um 23.30 Uhr treten Doro Pesch und Mike Singer gegeneinander an.

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