Fake News

von Redaktion

Nach „Schtonk“ erzählt nun ein Sechsteiler die Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher

VON CORNELIA WYSTRICHOWSKI

„Die übermenschlichen Anstrengungen der letzten Zeit verursachen mir Blähungen im Darmbereich, und Eva sagt, ich habe Mundgeruch.“ Die angeblichen Tagebücher Adolf Hitlers mit viel zitierten Stellen wie dieser waren im Jahr 1983 eine Sensation, wurden aber kurz nach ihrer Veröffentlichung im „Stern“ als platte Fälschung enttarnt. In seiner legendären Kinosatire „Schtonk!“ zog Regisseur Helmut Dietl (1944–2015) diese „Eulenspiegelei“ 1992 durch den Kakao – 30 Jahre später erzählt die sehenswerte Serie „Faking Hitler“ sie neu. Nach dem Start im Bezahlfernsehsender RTL plus ist sie heute und am kommenden Mittwoch bei Vox zu sehen.

Moritz Bleibtreu schlüpft in dem Sechsteiler mit Schmerbauch und merkwürdigem Dialekt in die Rolle des Kunstfälschers Konrad Kujau (in „Schtonk!“ gespielt von Uwe Ochsenknecht). Der Hallodri hat Kontakte zu reichen Sammlern von Nazikitsch und erkennt, dass er mit einer Sensation wie den Tagebüchern des „Führers“ eine schnelle Mark machen kann. Also fabuliert der fantasiebegabte „Conny“ munter draufllos, lässt den Massenmörder etwa schwadronieren, dass er Chow Chows für eine hinterhältige Hunderasse halte, und verwechselt bei den Initialen in Frakturschrift mal eben das A und das F – man kennt diese Szene auch aus „Schtonk!“

Lars Eidinger verkörpert in der Serie den „Stern“-Chefreporter Gerd Heidemann (im Kinofilm seinerzeit von Götz George gespielt), der dringend einen Knüller braucht, um seine Karriere zu retten, und der die Hitler-Tagebücher für den Coup seines Lebens hält. Eidinger spielt diesen getriebenen Reporter als kettenrauchenden Wahnwitzigen, aber auch als tragische Gestalt. Zwischen „Gerd“ und „Conny“ entwickelt sich eine Männerfreundschaft, doch am Ende ziehen sich die beiden gegenseitig in den Abgrund und landen, als der Betrug auffliegt, im Gefängnis.

„Faking Hitler“ will kein zweites „Schtonk!“ sein. Die Charaktere sind menschlicher, weniger überzeichnet als im legendären Film, bei allem Humor ist der Ton insgesamt ernsthafter. Zudem erzählt die Serie nicht einfach die alte Story von vorn (samt grotesker Details wie der von Heidemann gekauften Luxusyacht von Hermann Göring), sondern erfindet eine zentrale Frauenfigur samt eigenem Handlungsstrang dazu. Hier werden Themen wie der Umgang mit dem Nationalsozialismus in den Achtzigern, toxische Männlichkeit und journalistisches Ethos verhandelt.

Die Jungredakteurin Elisabeth Stöckel (Sinje Irslinger) hat in der von Männern dominierten „Stern“-Redaktion einen schweren Stand, denn der Umgangston ist dort teils extrem sexistisch. Als sie die SS-Vergangenheit von Fernsehstar Horst Tappert („Derrick“) recherchiert, stößt sie auf die Akte ihres eigenen Vaters – Juraprofessor Hans Stöckel (Ulrich Tukur) war als junger Mann bei der SS und an einem Kriegsverbrechen beteiligt. Elisabeth bewegt ihn dazu, sich seiner Schuld zu stellen, und hält am Ende eine Rede über Haltung in schweren Zeiten.

Die sechs jeweils dreiviertelstündigen Folgen überzeugen nicht zuletzt durch eine detailgetreue Ausstattung der Achtzigerjahre samt passender Popmusik.

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