Jetzt ist also auch Netflix im „Sisi“-Fieber. Der Streamingdienst, in Sachen Kostümserien erfahren durch „The Crown“ und „Bridgerton“, startet mit „Die Kaiserin“ heute eine große historische Serie über Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837 – 1898). Konkurrent RTL plus war bekanntlich bereits vergangenes Jahr mit einer eigenen Produktion vorgeprescht. Das düster-prachtvolle Netflix-Werk schildert in Grundzügen die vertraute Geschichte, die in den legendären „Sissi“-Filmen mit Romy Schneider aus den Fünfzigerjahren erstmals erzählt wurde. Kaiser Franz Joseph soll die bayerische Herzogin Helene heiraten, entscheidet sich dann aber für deren blutjunge Schwester Elisabeth.
Damit der schon so oft verfilmte Stoff nicht langweilig wird, hat Chefautorin Katharina Eyssen der Saga neue Facetten und neue Figuren verpasst. Die Ausstattung ist überaus opulent, es gibt auch explizite Sexszenen – mal im kaiserlichen Himmelbett, mal auf dem Bärenfell. Die beiden Hauptrollen werden von Newcomern gespielt. Die in Mannheim geborene Devrim Lingnau (24) verkörpert Sisi als tierlieben Wildfang aus der Provinz, der 27-jährige Philip Froissant aus Bad Tölz spielt Franz als Kaiser, der das Beste für sein Land will, aber an den Umständen scheitert.
Nach der Hochzeit im Jahr 1854 lebt seine Ehefrau Sisi im Goldenen Käfig unter der Fuchtel ihrer Schwiegermutter Sophie (Melika Foroutan). Immer wieder scheitert die unkonventionelle junge Frau mit ihren Versuchen, frischen Wind in die Wiener Hofburg zu bringen. Derweil hat eine Rebellenallianz eine Spionin in den Hofstaat der Kaiserin eingeschmuggelt, die vorgebliche Gräfin Leontine von Apafi (Almila Bagriacik, bekannt aus dem Kieler „Tatort“) soll ein tödliches Attentat auf die Monarchenfamilie einfädeln. Diese Figur ist frei erfunden, dagegen gab es Erzherzog Maximilian (Johannes Nussbaum) tatsächlich. Der unzufriedene jüngere Bruder von Franz sägt in der Serie munter am Thron des Kaisers und will ihm auch die Frau wegschnappen. Maximilian versucht, Sisi zu verführen, später will auch noch der Sohn des russischen Zaren der armen Kaiserin an die Wäsche.
An einigen Stellen nehmen es die Serienmacher sehr genau mit den historischen Details. Wer küsst wem die Hand oder knickst wie tief? Alle Schauspieler und Schauspielerinnen wurden in Fragen der Etikette am Habsburger Hof geschult. Bei der Ausstattung gibt es aber auch bewusste Stilbrüche wie etwa den Pagenkopf von Sisis Schwester Helene (Elisa Schlott), der erst in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts modern wurde, oder Maximilians Ohrstecker – das soll zeigen, dass der Stoff viel mit der heutigen Zeit zu tun hat.
Der Style der Serie ist auffällig, die Kostüme sind wahre Designobjekte, der Look bisweilen artifiziell überhöht. Gedreht wurde in Deutschland, die Hochzeit etwa im Dinkelsbühler Münster, weitere Drehorte waren unter anderem Bamberg, Bayreuth und Schloss Faber-Castell in Stein bei Nürnberg – nichts sieht hier allerdings nach dem echten Possenhofen bei Starnberg, Bad Ischl oder Schloss Schönbrunn in Wien aus.
Hier der Wunsch, Sisi vom Thron aus Zuckerguss zu stoßen, da der Versuch, dennoch eine romantische Geschichte zu erzählen – manchmal tut sich „Die Kaiserin“ schwer bei dieser Gratwanderung, und bisweilen legt das Drehbuch der Titelheldin platt-programmatische Sätze wie „Ich will einen Mann, der meine Seele satt macht“ oder „Ich will selbst über mein Leben bestimmen“ in den Mund.
Insgesamt wird Sisi aber recht differenziert als unsichere junge Frau geschildert, die ihre Rolle erst finden muss. Ein großer Pluspunkt sind die starken Nebenfiguren, allen voran Schwiegermutter Sophie. Sie ist ambivalenter als in den Ernst-Marischka-Filmen aus den Fünfzigern, aber mitnichten liebenswert. Als sie etwa erfährt, dass sie vor der Anprobe ihrer neuen Kleider noch einer Hinrichtung beiwohnen muss, antwortet sie genervt: „Nicht schon wieder eine Anprobe!“ Die brutale Exekution mehrerer Rebellen dagegen lässt sie völlig kalt.