Eine typische Szene für Ralf Wolters Paraderolle als Sam Hawkens in den Karl-May-Filmen der Sechzigerjahre sieht so aus: Hinter der Schießscharte eines Forts beobachten Hawkens und ein Soldat das Heranrücken der Feinde – und sehen einen Mann mit weißer Fahne. „Vielleicht will er auch nur sein Hemd bei uns trocknen“, mutmaßt Hawkens – liebenswert, naiv, komisch. Ausnahmsweise verkneift er sich dann jenen Spruch, mit dem sich diese Figur tief in die bundesdeutsche Kinogeschichte eingeschrieben hat. „Wenn ich mich nicht irre!“ lautete der, und Ralf Wolter schob stets ein kurzes, trockenes Kichern hinterher. „Hihihi!“ Keiner im Wilden Westen kicherte so – vor allem aber kicherte niemand mit einem derart hohen Wiedererkennungswert.
Ja, Ralf Wolter war in den Filmen jener Jahre für die Komik zuständig. Mehr noch: Der Schauspieler, der am Freitag mit 95 Jahren in München gestorben ist, hat maßgeblich den Humor ins westdeutsche Nachkriegskino gebracht – auch in Produktionen, die nicht sofort als Komödien auszumachen waren. Sein Leinwanddebüt 1951 zum Beispiel, „Die Frauen des Herrn S.“ mit Sonja Ziemann, Paul Hörbiger und Walter Giller, spielt zwar in der griechischen Antike, persifliert aber die Lage Deutschlands unter den vier Besatzungsmächten.
Geboren wurde Wolter 1926 in Berlin. Sein Vater war Artist im Zirkus, die Mutter Musikerin – der Sohn ließ sich an einer privaten Schauspielschule ausbilden. Seine Liebe zum Humor sowie zur Musik brachte ihn in den Fünfzigern auf die Brettl-Bühnen – zunächst in seiner Geburtsstadt, später auch in Hamburg. Parallel arbeitete der Schauspieler an seiner Filmkarriere. Das deutsche Kino wollte Nazi-Terror und Verwüstungen durch den Krieg vergessen machen: Produktionen waren häufig und gern als Revuen um beliebte Interpreten und deren Lieder herum inszeniert: In Werken wie „Wenn die Conny mit dem Peter“ (1958) oder „Freddy, die Gitarre und das Meer“ (1959) mit Peter Kraus, Cornelia Froboess oder Freddy Quinn gestaltete Wolter erste Rollen. Sein Witz war dabei immer auch körperlich, in Gestik und Mimik. Natürlich war er ein gutes Stück entfernt vom reinen Slapstick – aber doch inspiriert vom physischen Humor der US-Kollegen.
Billy Wilder besetzte ihn 1961 in „Eins, Zwei, Drei“ dann als glatzköpfigen Agenten der UdSSR. Damit war die optische Vorlage geschaffen für Wolters Durchbruch im Kino und für seine berühmteste Rolle: Sam Hawkens hat zwar seinen Skalp, aber auf keinen Fall seinen Humor und seine Schlagfertigkeit verloren. 1962 war der Darsteller erstmals als Trapper an der Seite von Pierre Brice (Winnetou) und Lex Barker (Old Shatterhand) in „Der Schatz im Silbersee“ zu sehen. In sechs Kinofilmen spielte er den treuen, erschreckend gut gelaunten Begleiter der Blutsbrüder – und nochmals 1980 in der Fernsehserie „Mein Freund Winnetou“ mit Siegfried Rauch als Shatterhand.
Wolters Figur nutzten die Regisseure dabei nicht nur, um Humor in die Abenteuerfilme zu schmuggeln. Sam Hawkens stand auch für Männer-Treue und Freundschaft – Tugenden, die seit der Nazi-Zeit verpönt waren und nicht zuletzt durch solche Filme vom Ruch der NS-Propaganda befreit wurden. Das gilt auch für Hadschi Halef Omar, den Wolter in den Adaptionen von Karl Mays Orient-Romanen wie „Der Schut“ (1964) oder „Durchs wilde Kurdistan“ (1965) spielte.