„Krisen gab es auch früher schon“

von Redaktion

INTERVIEW Ulrich Wickert über seine Liebe zu Krimis und seinen Blick auf die „Tagesthemen“

Einen Namen machte er sich als ARD-Korrespondent in New York und später in Paris, zum Publikumsliebling wurde er aber als Moderator der „Tagesthemen“ im Ersten, die er von 1991 bis 2006 in seiner unnachahmlichen Art präsentierte – Ulrich Wickert. Nicht erst seit seinem Abschied vom Fernsehen macht der 79-Jährige auch als Autor auf sich aufmerksam, Sachbücher wie „Der Ehrliche ist der Dumme“ oder „Vom Glück, Franzose zu sein“ wurden Bestseller. Seit ein paar Jahren schreibt Ulrich Wickert auch Krimis, die Geschichten um den Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou sind ebenfalls sehr erfolgreich. Im neuen Band, „Die Schatten von Paris“, der heute erscheint, muss der Richter den Mord an einem Geheimdienstagenten aufklären und gerät dabei selbst ins Fadenkreuz von Killern.

Warum spielen Ihre Romane eigentlich in Frankreich und nicht in Deutschland?

Das hat zwei Gründe. Ich habe damals für meinen ersten Krimi Fakten zugrunde gelegt, die nur nach Frankreich passen, und da sind die Geschichten dann auch geblieben. Außerdem habe ich festgestellt, dass wir Deutschen sogar im Verbrechen nur Mittelmaß sind und Frankreich auch auf diesem Feld den ergiebigeren Schauplatz abgibt. Der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy läuft mit einer elektronischen Fußfessel rum, sein letzter Innenminister sitzt im Gefängnis, gegen den ehemaligen Premierminister Edouard Balladur wird ermittelt, die Liste ließe sich fortsetzen. In Frankreich wurde und wird immer wieder mal gegen führende Personen aus Politik oder Wirtschaft ermittelt, das wäre bei uns unvorstellbar.

Ich nehme an, dass Sie auch selbst viele Krimis lesen.

Oh ja, ich bin ein begeisterter Krimileser. Ich hatte das große Glück, in den Sechzigerjahren dank eines Stipendiums in den USA zu studieren, wo ich Bekanntschaft mit den Werken der großen amerikanischen Kriminalautoren gemacht habe – allen voran Raymond Chandler, der für mich der Größte von allen ist. Ich liebe seine Hauptfigur, den Privatdetektiv Philip Marlowe. Seitdem hatte ich den Traum, selbst mal einen Krimi zu schreiben.

Was halten Sie von Georges Simenon, dem erfolgreichsten Krimiautor französischer Sprache?

Simenon ist für mich ein ganz großer Autor. Seine besten Bücher sind allerdings die, in denen Kommissar Maigret nicht auftaucht, finde ich.

Haben Sie als Journalist schon einmal daran gedacht, einen Krimi in einer Fernsehredaktion spielen zu lassen?

Eigentlich nicht, aber man sollte nie nie sagen. Vielleicht passt ein Fall irgendwann mal ganz gut in eine Fernsehredaktion, im Moment habe ich allerdings keinen im Kopf.

Sie haben vor Kurzem einmal wieder den „Tagesthemen“ einen Besuch abgestattet, um mit einem Auftritt in der Sendung Ihre Nachfolgerin Caren Miosga zu würdigen. Wie war das für Sie?

Es war sehr lustig, weil ich viele Leute getroffen habe, die ich noch von damals kenne.

Ihr Urteil als Ehemaliger über Frau Miosga, Ingo Zamperoni und die anderen bei den „Tagesthemen“?

Die machen das hervorragend, und ich finde, dass die „Tagesthemen“ immer noch die beste Nachrichtensendung des Abends sind. Die Sendung hat sich in den vergangenen Jahren vor allem aufgrund neuer technischer Möglichkeiten verändert, sie können heute ja mit einem Smartphone einen Beitrag aus der Ukraine machen. Das sind Dinge, die früher nicht möglich waren.

Vermutlich sind Sie froh, nicht mehr im Studio zu sitzen angesichts der vielen Krisen.

Auch früher haben uns permanent Krisen in Atem gehalten. Wenn man zum Beispiel an die Anschläge des 11. September 2001 denkt, das war eines der furchtbarsten Ereignisse, über die ich in den „Tagesthemen“ berichten musste. Da sind die Türme des World Trade Centers eingestürzt, während ich moderiert habe, und Leute aus den Fenstern der einstürzenden Hochhäuser gesprungen – eine schreckliche Erinnerung.

Das Gespräch führte Martin Weber.

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