Die nächste Hürde, die dieser Film auf seinem möglichen Weg nach Hollywood nehmen muss, ist auf den 21. Dezember datiert. Dann legt die Academy fest, welche Werke in die Vorauswahl für den Oscar als bester internationaler Film kommen. Deutschland schickt, wie berichtet, „Im Westen nichts Neues“. Die Netflix-Produktion ist nach einer kurzen Kinoauswertung nun auch beim Streamingdienst zu sehen. Edward Berger hat den 1928 erstmals als Fortsetzungsgeschichte in der „Vossischen Zeitung“ erschienenen Roman von Erich Maria Remarque (1898-1970) verfilmt.
Bei seiner Adaption des Stoffs nimmt sich der 1970 geborene Regisseur Freiheiten, verdichtet und verkürzt hier, ergänzt neue Figuren und Handlungsstränge dort. Das ist richtig und wichtig, damit der Film dramaturgisch funktioniert – lediglich am Ende entfernt sich das Drehbuch dann doch zu weit und unnötig von der Vorlage.
Bevor die Geschichte des Abiturienten Paul Bäumer erzählt wird, der sich – angesteckt vom Hurra-Patriotismus der Autoritäten – freiwillig gemeldet hat und 1917 an die Westfront kommt, nimmt Berger das Publikum mitten hinein in eine Schlacht des Ersten Weltkriegs. Das ist brutal inszeniert – und zeigt die erbarmungslose Logik des Krieges: Die Kamera folgt dem Weg der Uniform eines Gefallenen zurück hinter die Front in Wäscherei und Näherei, weiter in die Heimat, wo ein neuer Rekrut damit eingekleidet und zurück an die Front geschickt wird.
Schonungslos nah rückt die Kamera den Soldaten auf den Leib, fängt Todesangst, Verzweiflung, Brutalität in Nahaufnahmen ein und hetzt durch die klaustrophobische Enge der Schützengräben. Diese Schlachtengemälde in Grau-Grün-Dreck kontrastiert die Regie durch eindrucksvolle Aufnahmen unberührter Natur und Szenen enormer ästhetischer Strahlkraft, die ihre Perversion erst entfalten, wenn klar wird, dass dieses optische Fest von Leuchtgranaten ausgelöst wird.
Berger hat vor allem die Nebenrollen stark besetzt – in erster Linie sei hier Albrecht Schuch erwähnt, der einen langgedienten Frontsoldaten spielt, und diesen als vielschichtigen Charakter anlegt. Aber auch Edin Hasanović, Devid Striesow und Daniel Brühl überzeugen in dieser gelungenen Literaturverfilmung. Schade nur, dass Felix Kammerer als Paul Bäumer zwar die Überforderung des Rekruten nachvollziehbar zeigt, danach seine Figur aber nicht wirklich entwickeln kann.