Die Verzweiflung einer Mutter

von Redaktion

Das berührende Drama „Und ihr schaut zu“ über Unfall-Gaffer läuft im Rahmen der ARD-Themenwoche

VON HEIDE-MARIE GÖBBEL

Eine Mutter stürzt sich in den fast aussichtslosen Kampf gegen sensationsgierige Gaffer, die an einer belebten Kreuzung den Unfalltod ihrer Tochter filmen. Einige Passanten posten ihre Videos im Netz. Die Mutter reagiert entsetzt und wütend. Hat denn niemand ihrer verletzten Tochter geholfen? Sie macht sich auf die Suche nach Zeugen und den Absendern der Videos. Dabei wird sie mit Menschen konfrontiert, die sich kaum einer Schuld bewusst sind.

Der Spielfilm „Und ihr schaut zu“ von Dominique Lorenz (Drehbuch) und Michaela Kezele (Regie) beruht auf wahren Begebenheiten und ist morgen um 20.15 Uhr als Teil der ARD-Themenwoche „Wir gesucht! – Was hält uns zusammen?“ im Ersten zu sehen. Im Anschluss um 21.45 Uhr folgt die Dokumentation „Filmen ohne Gnade. Die Lust am Leid der anderen“ von Kai Diezemann.

Jenni, dargestellt von Anja Schneider, erzieht ihre Tochter Mia (Katharina Stark) ohne Vater. Er fühlte sich nie bereit für diese Aufgabe. Beim Frühstück haben es beide eilig, denn Mia beginnt an diesem Tag ihr Studium. Jenny bringt sie zum Bus und fährt zur Arbeit in einer Backstube. Alles ganz normal, irgendwie. Doch an diesem Tag stirbt Mia.

Als Jenny die Nachricht vom Tod ihrer Tochter erhält, beginnt sie zu recherchieren. Ein Autofahrer hatte einen Infarkt erlitten und war frontal in eine Gruppe von Fußgängern auf dem Zebrastreifen gerast, unter ihnen auch Mia. Es dauerte lange, bevor der Rettungswagen durchkam, weil Schaulustige filmten und die Retter blockierten. Auf den Videos zu sehen ist Mia, die minutenlang auf der Straße lag und offensichtlich etwas sagte. Doch keiner in der Nähe kam ihr zu Hilfe.

Jenny ist entsetzt und außerstande zu trauern. Die schrecklichen Bilder lassen sie nicht los. Sie macht sich geradezu besessen auf die Suche nach Unfallzuschauern. Unter anderen befragt sie zwei junge Frauen in einem Nagelstudio. Sie geben zu, dass sie die „krasse Szene“ gefilmt haben. Schließlich findet sie auch den Fahrer, dessen Auto mit offener Tür auf der Kreuzung stand und die Rettung blockierte, während er die Unglücksstelle filmte. „Aber niemand scheint sich eines Vergehens bewusst zu sein oder fähig, es zuzugeben“, erläutert die Autorin den Plot.

Die Mutter will gerichtlich gegen die Filmenden vorgehen. Sie engagiert eine resolute Anwältin, die schon Klienten in ähnlich schwierigen und kaum beweisbaren Fällen geholfen hatte. Doch alles scheint in einer Sackgasse zu enden, als Mias Vater (Aurel Manthei) anruft und erzählt, dass er einen der Abgebildeten, einen Pizzaboten, erkannt hatte. Dessen Kollege vom Unfalltag sei bereit, mit der Mutter zu sprechen. Er war bei dem Unfallopfer geblieben. Trotzdem will Jenny nicht auf die Gerichtsverhandlung verzichten. Sie wendet sich an die Versammelten und mahnt eindringlich: „Ich möchte einfach, dass so etwas nicht mehr passiert. Ich meine – was sind wir denn alle ohne Mitgefühl?“

Lorenz und Kezele schildern nach Vorkommnissen aus realen Fällen ein Beispiel, das zeigt, wie leicht antisoziales Verhalten durch die sogenannten Sozialen Netzwerke provoziert werden kann. Entstanden ist ein bildstarker Film, in dem die Worte fast ein wenig verloren wirken.

Der Drehort – überwiegend die Altstadt von Ulm und diffus in Grau und blassem Rosa gehalten – erinnert an einen Ort, wie er überall sein könnte, geschäftig und mit wenig Zeit für Empathie. Ein eindrucksvoller Film mit einem starken Appell an das Publikum, menschlich zu bleiben und auf andere zu achten.

„Und ihr schaut zu“

läuft morgen um 20.15 Uhr im Ersten.

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